Mein Lila Ordner und was dieser für mich als Patientin bedeutet

Immer dieser lästige Papierkram, denk ich oft. Mir ist dieser lästige Papierkram jedoch in einer Sache wichtig geworden. Ich besitze einen Ordner, eigens für meine Krankenakten. Es war nicht immer in einem Ordner und gewiss war es eine lange Zeit auch nicht geordnet. Angefangen hat es wohl als undefinierter Stapel Papier. Aber nun ist er lila, wer hätte das gedacht. Enthalten sind alle Informationen und Papiere seit meinen ersten dokumentierten Symptomen und sind somit die Chroniken meiner Krankengeschichte. Getreu dem Motto, dass Wissen ja Macht ist, sammle ich hier Arztbriefe, Untersuchungsergebnisse, Bescheide und eigene Recherchen. Dazu gehören weiterhin Unterlagen der Krankenkasse sowie ein weiterer Stapel an Broschüren und Magazine zum Thema Crohn und Stoma. Über die Jahre kommt da schon ganz schön was zusammen und der Ordner reicht schier schon nicht mehr aus. Je mehr man über sich und die Krankheit weiß, also je besser man aufgeklärt ist, desto besser ist man vorbereitet. Desto besser kommt man mit den Ärzten ins Gespräch und desto größere Erfolgschancen hat man in der Behandlung. Der Wissensstand eines Arztes wird von mir gewiss nicht angestrebt, aber als Patient will ich so gebildet sein, wie es nur geht. Ich möchte nicht wie ein Blatt im herbstlichen Wind sein, welches einfach nur hin und her geweht wird. Ein dummer – oder besser formuliert – unwissender Patient will man nicht sein, sollte man nicht sein (wollen). Denn der, der nichts weiß, muss alles glauben, was ihm oder ihr gesagt wird. Je mehr ich also über mich und die Krankheit weiß, desto besser ist es für mich. Dann fühle ich mich sicherer, kann weniger überrumpelt werden und weiß, was mit mir geschieht und was vielleicht auch nicht. Es geht hier schließlich um mich. Und das ist es, was dieser simple Ordner bedeutet: Selbstbestimmung!

Folgend nun also eine kleine Zusammenfassung, was in meinem lila Ordner enthalten ist. Zum einen sind es die eigenen Notizen und Recherchen, entweder mit gesammelten Informationen aus dem Internet oder aber zusammengefasst aus Broschüren. Diagnostik, Symptome, Behandlungen oder Ernährung und Lifestyle. Manchmal hilft es mir, wenn ich noch mal etwas nachlesen kann. Vielleicht brauche ich einen Anreiz oder muss mir noch etwas anlesen. Neben den Zusammenfassungen gibt es auch noch mal die ausführlichen Broschüren im Original mit den gleichen Inhaltspunkten, meist erhältlich im Krankenhaus oder über den Arzt. Wie das Leben nun wirklich im Alltag mit der Krankheit ist, kommt in den Broschüren natürlich zu kurz. Auch sind die gegebenen Informationen zu allgemein gefasst und die meisten Eventualitäten nur angeschnitten, denn es muss ja auf eine Vielzahl von Menschen zutreffen. Was bedeutet das für mich? Jeder Mensch ist anders und jeder reagiert anders oder braucht anderes Input. Somit muss auch jeder für sich schauen, welche Tipps und Tricks überhaupt hilfreich oder anwendbar sind. Broschüren enthalten die Schulmedizin, allgemeine Grundsätze und übergreifende Anlaufstellen. Wem das nicht reicht, der muss selbst recherchieren. In der heutigen Zeit ist das gar nicht so schwer. Im Internet finden sich Kontakte zu  Vereinigungen und Individuen, die einem behilflich sein können. Am Anfang hat mir das Allgemeine gereicht, inzwischen halte ich jedoch gerne Ausschau nach Sachen, die es noch zusätzlich zu wissen gibt. Die Devise ist folglich, dass man selbst nach sich schauen muss und sich bilden muss, um persönlich weiterzukommen und sich aufzuklären. Zusätzlich beinhaltet der Ordner chronologisch alle Arztbriefe und schriftlichen Untersuchungsergebnisse, teilweise auch Blutbilder oder Untersuchungen auf CD, z.B. von Spiegelungen oder MRTs. Für die eigenen Unterlagen kann man dies oft problemlos anfordern. Vielleicht weil man es selbst Zuhause haben möchte oder weil man die Unterlagen einem anderen Arzt vorlegen möchte. Der Grund ist völlig egal, jeder Patient hat ein Recht auf seine Daten. Die Sammlung der Arztbriefe ist gut beim Wechsel von Ärzten, denn das erspart Zeit und Arbeit. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass die Angaben darin richtig sind. Erst letztens habe ich zum ersten Mal wegen groben Fehlern einen Arztbrief korrigieren lassen – die falsche Variante hätte mir später einmal Probleme machen können. Nach meiner letzten Entlassung las ich wie immer den Brief, musste mal nach Worten im Internet schauen und stolperte über falsche Angaben zur Behandlung, die ich erhalten haben soll sowie eine neue Nebendiagnose, die mit mir nie besprochen worden und zudem im falschen Ausmaß angegeben war. Mit Hilfe meiner M. ging ich wieder zurück auf die Station. Die Ärzte wollte mit mir nicht mehr sprechen, es lief alles über die Schwestern. Am Schluss jedoch behielt ich Recht und der Brief wurde korrigiert. Irgendwie eine unangenehme Situation, aber notwendig und durchaus eine Erfahrung wert. Ansonsten sind die Arztbriefe eine gute Zusammenfassung von meiner Geschichte, es ist eine klare Dokumentation in Arzt-Chinesisch. Was genauso in meinen Ordner gehört, sind alle Unterlagen meiner Krankenkasse. Schon immer war ich bei der Techniker Krankenkasse, als Kind und danach (wer meinem Blog folgt, weiß, dass ich inzwischen nicht mehr bei der Techniker bin – zu lesen HIER). Eine Diskussion über die richtige Krankenkasse ist unnötig, jeder muss für sich entscheiden, wo er am Besten aufgehoben ist. Mir wurde noch nie eine Leistung verweigert, ich kann mich nicht beschweren, denn trotz chronischer Krankheit hatte ich noch nie Probleme. Ich sammle also Bescheide, Informationen der Kasse oder Zahlungsbelege. Ebenfalls dabei sind Unterlagen meiner Auslandskrankenversicherung sowie der bisher einzige Fall, bei dem ich tatsächlich von einer kompletten Reise zurücktreten musste. Ich hebe es auf, vielleicht ist es mir irgendwann in der Zukunft als Referenz noch mal nützlich. Hoffentlich nicht so bald. Wo wir schon bei Geldangelegenheiten sind: Ich sammle hier alle Belege, die mit Geld verbunden sind. Erstmal natürlich wegen der 1% Grenze für Zuzahlungen bei der Krankenkasse – gilt für chronisch Kranke – und dann noch für meine Steuererklärung. Schaden kann es nicht, es ist schnell wegsortiert und aufgeräumt.

Dieser Ordner ist für mich stellvertretend aber noch viel mehr, denn er steht für eine gewisse Einstellung zum Dauerpatienten-Leben. Stell Fragen! Stell Fragen beim Arzt, bei Kontrollterminen, im Krankenhaus, zu Untersuchungen, bei der Visite – egal wo, egal, was du wissen willst. Wenn etwas unklar ist, muss es geklärt werden. Ich persönlich muss wissen, was mit mir passiert und zwar so, dass es ein Patient versteht. Am besten funktioniert das bei mir, wenn ich mir die Fragen vorher aufschreibe. Oftmals vergaß ich schon im Eifer des Gefechts, was ich wissen wollte. Als Stütze hilft das ungemein, den Faden nicht zu verlieren und die gewünschte Information zu erhalten. Nachfragen ist keine Schande und auch wenn der ein oder andere genervt reagiert, muss man hartnäckig bleiben und sich nicht mit Floskeln abwimmeln lassen. Alles schon passiert. Wenn es der richtige Arzt ist, wird er einem entgegenkommen und am Ende fühlt mich sich verstanden und sicherer. In Situationen der Krankheit und der Ungewissheit ist es das Recht eines jeden Patienten: Transparenz des Gesagten. Es ist die Grundlage für alles Weitere. In diesem Zusammenhang steht auch mein letzter Punkt, nämlich das Verstehen des Fachjargons der Ärzte. Noch mal, ich bin kein Arzt und will es auch nicht sein, aber einander verstehen sollte man sich auf jeden Fall. Die erste Zeit meiner Krankheit war es mir nicht ganz so wichtig, die Fachsimpelei ging eher an mir vorbei. Doch mit den Jahren und der steigenden Komplexität meines Zustandes wurde es mir immer wichtiger, Fachbegriffe und den Jargon zu kennen und damit zu arbeiten. Ich lerne stets dazu – in Gesprächen, durch das Lesen von Artikeln und die ganzen Arztbriefe. Aufmerksam höre ich zu und wenn ich etwas nicht sofort verstehe, dann frage ich nach. Wenn ich etwas Neues lese, schlag ich es nach. Es ist ein Lernprozess, der nicht aufhört und obwohl es am Anfang etwas beschwerlich scheint, wird es immer besser. Diese Einstellung, mein Ordner und dessen Inhalt machen es möglich, dass ich mich weniger ausgeschlossen, also aufgeklärter und an meiner Sache beteiligt fühle. Mein Ziel ist es, durch mehr Wissen bei der Gestaltung meiner Geschichte involviert zu sein. Ein gutes Ziel – Verantwortung. Das äußert sich in Papierkram wie hier oder in Taten, lest hier.

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