Mein Einstand in Beutel-Reisen

Bei so vielen Taschen, Reisekoffern, Beuteln und Rücksäcken, die ich über die Jahre gepackt habe – welchen Unterschied macht dann ein zusätzlicher Beutel, den ich stets bei mir trage? Ich berichte oft über das Reisen, das weiß ich. Es ist nicht zu übersehen, dass mir viel daran liegt und dass es mir guttut. Es verbleibt eine Leidenschaft, die mich beflügelt und antreibt. Natürlich schafft der Beutel, wie im Alltag auch, immer wieder neue Herausforderungen. Mit ein wenig Übung und Mut klappt das Leben sowie das Reisen aber trotzdem. Obwohl die folgenden Reisen schon 2016 unternommen wurden, bezeichnen diese weiterhin meiner ersten Erfahrungen mit dem Beutel auf Reisen. Ich bekam Ru, den ersten seines Namens, Ende 2015 und verreiste 2016 so oft innerhalb eines Jahres wie noch nie in meinem ganzen Leben.

NY7

Im Mai vor zwei Jahren reisten wir nach New York City – eine langersehnte Reise in die Stadt, die niemals schläft. Die Highlights waren so vielfältig und atemberaubend wie die Stadt selbst. Natürlich wird nichts von diesem einen Moment getoppt, als mein B. im Central Park auf die Knie ging und die Frage der Fragen stellte. Das war sozusagen das i-Tüpfelchen auf einer Woche, die besser nicht hätte sein können. Wir besuchten zum Sonntagsgottesdienst eine Kirche in Brooklyn mit einem 100 Mann starken Chor und sahen die berüchtigte Freiheitsstatue, die neben Manhattan irgendwie klein aber gut wirkte. Wir fuhren Stundenlang Fahrrad im Central Park und besuchten am Times Square „Den König der Löwen“. Als wir abends wieder rauskamen, hatten wir das Gefühl es wäre Tag, so hell war es durch die Reklamen. Wir fuhren kostenlos mit der Staten Island Ferry hin und her und genossen den Blick auf die Stadt. Wir stolperten von einer Sehenswürdigkeit in die nächste; sowie von einem Starbucks in den nächsten zur Happy Hour am Nachmittag. Ich hatte Gänsehaut als ich am Denkmal für 9/11 stand und mir die Bilder von damals vor den Augen erschienen. Wir schlenderten durch die Straßen und nahmen das Leben und die Atmosphäre in uns auf. Wir hatten den New-York-Moment als wir vom Top of the Rock in der Nacht die Lichter der Stadt und das erleuchtete Empire State Building sahen. Jede einzelne Minute in der Stadt war für mich wunderschön und es ist kaum zu beschreiben wie viele Eindrücke wir gesammelt haben. Auch bei schlechtem Wetter hatten wir einen Plan B – die Museen am Zentralpark für wenig Geld. Warum für wenig Geld? Ein kleiner Tipp von Kurt, der vor vielen Jahren ausgewandert ist: Bei vielen Museen gibt es einen vorgeschlagenen Eintrittspreis, zum Beispiel bei diesen Museen je 20 Euro pro Person! Man kann aber auch einfach zur Kasse gehen und einen Dollar rüberschieben und kommt genauso rein. In einer Stadt, die teuer sein kann ist das bei eine saugute Alternative! Jedoch kam uns ein Dollar wirklich zu wenig vor und so zahlten wir 5 Dollar pro Person und schon war das Schlechtwetter-Programm gesichert. New York ist die ultimative Städtereise und ein persönliches Highlight meiner Reise-Historie. Obwohl es schon wieder eine Weile her ist, zaubert es mir ein breites Lächeln auf die Lippen.

Was hat mir diese Reise gezeigt? Anstrengende Städtereisen sind auch für Menschen mit schwacher Mitte möglich – damit meine ich, dass die vielen Kilometer nicht ohne sind. Das kann ich gut überstehen, wenn ich mir regelmäßig Ruhepausen gönne. D.h. es werden regelmäßig Pausen gemacht und regelmäßig auch ruhigere Sachen eingeplant. Ich hätte nie gedacht, dass die OPs meine Körpermitte doch so schwächen aber durch die Pausen ist es machbar. Früher rannte ich mit einer schweren Handtasche herum und die ungleichverteilte Last tat mir bald weh in der Körpermitte. Deswegen gibt es mich auf Reisen nur mit Rucksack, ein kleiner Rucksack, in den nicht viel reingeht. Nur das Nötigste neben der Notversorgung, die ich immer mit mir herumtrage. Denn was hat mir die Reise damals auch gezeigt? Sei stets vorbereitet und du wirst nicht allzu sehr überrascht. Die Notfallversorgung ist immer dabei – auf Reisen besonders wichtig. Einmal machten wir halt in einem Lokal, für eine Erfrischung und um auf’s Klo zu gehen. Ich war unachtsam und riss mir beim Entleeren des Beutels diesen fast weg. Es wäre eine üble Sauerei gewesen, aber ich wäre vorbereitet gewesen und hätte alles frisch machen können. Am Tag unserer Verlobung gingen wir in den Central Park Zoo und ich hatte nicht bemerkt, dass meine Versorgung zur Hälfte unterlaufen war. Getreu dem Motto, wenn ich länger nicht vom Klo komme, weißt du ja was passiert ist, beschäftigt sich mein B. während ich mir auf dem Klo des Central Park Zoo eine neue Versorgung dranklebte. Hatten mich solche Unfälle damals noch mehr gestört und danach niedergeschlagen gemacht, ist das über die Jahre besser geworden. Shit happens. Nicht nur tagsüber, auch nachts. Unterwegs habe ich für die Nächte immer ein Moltontuch dabei, das ist eigentlich für Babys und wasserdicht bzw. unfalldicht. Darauf schlafe ich im Hotelbett und habe keine Bedenken, das Bett nachts zu ruinieren. Ich schlafe gut auf Reisen. Auch in der Stadt, die niemals schläft.

NY4

NY9

NY

Im September folgte dann in der Tat ein erneuter Besuch der USA, welcher für mich seit zehn Jahren ein Herzenswunsch war. Nach zehn Jahren kehrte ich zurück an den Ort, an dem ich als 17-Jährige wieder zu mir und meiner Energie gefunden hatte. Mein Auslandsjahr in den Südstaaten hatte mich sehr geprägt. Das Amerika, in das ich mich verliebte, war schon damals nicht mehr allgegenwärtig und ist dies heutzutage immer weniger. Man muss es suchen, aber man findet es. Ich fand die richtigen Menschen bzw. die richtigen Menschen fanden mich. Menschen für das Herz, Menschen als Lektion und Menschen für Freundschaft. Obwohl ich während meines Besuches einige Menschen sah, sind es zwei, die als Freunde tatsächlich bestehen blieben und wahrscheinlich noch lange werden. Und trotzdem, bedingt durch die Geschichten, den Einfluss und das kleine Stück meines Herzens, das amerikanisch ist, kehrte ich damals irgendwie heim. Ich flog nach Memphis und wurde dort von meiner besten Amerikanerin empfangen. Wir entledigten uns nur meines Koffers und auf ging es zum College Football. Nicht, dass ich je großes Verständnis für diesen Sport gehabt hätte – es ist mehr die Gesellschaft und das amerikanische Flair dieses Spiels. War ich am Anfang unsicher, wie ich mit meinem Englisch zurechtkam, war mir schnell bewusst: Ich kann Englisch, aber meinen Südstaatendialekt hatte ich wohl fast vollständig verloren. Wir verbrachten zwei Tage zusammen, nur sie und ich. Wir aßen Frühstück im ältesten Lokal der Stadt, besuchten das Peabody Hotel, in dem Enten frei im Lobby-Springbrunnen schwammen, liefen den Mississippi entlang und aßen echtes BBQ. Die Hitze war abartig, man rettete sich nur von Klimaanlage zu Klimaanlage. Ich hatte einen Mietwagen besorgt, welches Auto das war, war klar. Damit fuhr ich nach Mississippi, checkte in mein Hotelzimmer mit Kingsize-Bett (und Klimaanlage) ein und besuchte die Tage darauf alle möglichen Leute von früher. Ich aß mit ihnen bei meinem Lieblingsmexikaner, der nun einem Schulkameraden gehörte. Ich fuhr mit einer Schulkameradin durch die Stadt, durch meine alte Straße und an Orte, an denen ich früher gewesen war. Manch ehemalige Freunde machten sich sogar auf den Weg, mich zu sehen obwohl sie gar nicht mehr dort wohnten. Einmal fuhr ich vier Stunden nach Arkansas und mein bester Amerikaner fuhr ebenfalls vier Stunden, nur damit wir uns in der Mitte in einem Diner treffen konnten. Auch meine Gasteltern, die inzwischen geschieden waren, umgezogen waren und sich ebenso weiterentwickelt hatten wie ich, besuchte ich. Ich bedankte mich persönlich für alles, was sie mir gegeben hatten. Vor allem, die Möglichkeiten die Sie mir eröffneten. Dann fuhr ich irgendwann wieder nach Memphis und verbrachte die letzten Stunden mit meiner Lieblingsmemphisbewohnerin. Bilder habe ich nicht wirklich viel gemacht, nur mit den Leuten als Erinnerung. Meine besten zwei Amerikaner, ich hoffe, das Leben führt uns bald wieder zusammen.

US1

Was hat mir die Reise damals auch gezeigt? Schwitzen im Urlaub ist kein Problem, das Essen aber schon. So viel, wie ich in dieser Woche geschwitzt habe, war das wohl die übelste Prüfung für die Haftkraft meiner Platten. Aber egal wie heiß es war, egal wie oft ich zwischen heiß und kalt wechselte – meine Platten hielten. Das mag nicht unbedingt für jede Platte bei jedem gelten, es hat mir nur gezeigt, dass ich im Moment die richtige Versorgung trage. Das Essen auf der anderen Seite ist etwas, worauf ich mehr hätte achten sollen. Nach zwei Tagen Südstaaten hatte ich mir sowas von den Darm verdorben, herrje. Zu viel süß, zu viel Fett, zu viel Kohlenhydrate und zu viel Alkohol und Kaffee. Ich legte einen vorsichtigen Tag ein und konnte mich erholen. Danach dachte ich vor dem Essen nach, es war nun doch ein anderes Land und nicht das Essen von daheim. Selbst, wenn es so ähnlich scheint. Und nun der wichtigste Punkt dieser Reise: Reisen allein mit Stoma und Hebe-Verbot ist möglich! Beim Koffer sprang ich über meinen Schatten und bat Menschen in meiner Umgebung um Hilfe – am Flughafen, im Hotel und so weiter. Einfach fragen, das Verständnis der Menschen war stets gut. Neben dem Gepäck gibt es keine Probleme, allein mit dem Stoma. Alles bewältigt man wie gewohnt und für diesen einen schweren Punkt springt man ab und an über seinen Schatten. Die Selbstständigkeit ist es wert.

Auch La Palma, die dritte Reise dieser Erzählung, hatte etwas mit Selbstständigkeit zu tun, nur etwas anders. Denn es war unsere Ersatzreise für eine bereits gebuchte Reise nach Vietnam. Monatelang geplant und dann durfte ich eines machen: Stornieren. Ich war wenige Wochen vor der Abreise nämlich zur Not-OP eingerückt, denn meine dritte Hernie hatte meinen Darm eingeklemmt.  Die Wunde war noch nicht genug verheilt, um eine anstrengende Reise nach Asien zu wagen. Natürlich waren wir traurig, hätten wir nämlich den Weg einer sehr guten Freundin auf Ihrer Weltreise gekreuzt. La Palma entpuppte sich zwar schon als ein klein bisschen zu kalt und windig aber im Ganzen eine gute Idee. Die grüne Insel, wie sie genannt wird, hat wundervolle Seiten. Wir konnten einfach mal nichts tun, nicht, dass wir gut darin wären, nichts zu tun. Da ich aber noch nicht wirklich fit war, fiel uns das diesmal tatsächlich leichter. Wir genossen die Anlage, dass wir uns nicht um das Essen kümmern mussten und kein Internet auf dem Zimmer hatten. Es war einfach entspannend.

LP4

Um den Amerika-Faden hier übrigens nicht abreißen zu lassen: In dieser Zeit waren die letzten Wahlen zur Präsidentschaft und da ich kein Internet hatte musste ich mit Entsetzen den Fernseher am Morgen anmachen und sah mir jeden Sender an, weil ich nicht glauben konnte, was passiert war: Hilary hatte es nicht geschafft. Wir machten kleine Ausflüge, damit es nicht allzu eintönig wurde. Salinas in der Nähe wurden besucht, also Salzanlagen. Das war interessant. Oder aber ein bisschen Whalewatching mit kleinen Augenblicken, trotz Seekrankheit. Auch eine Bustour haben wir gemacht, in den grünen Norden der Insel. Es war manchmal wie im Dschungel und die ganzen Erklärungen über die Insel waren sehr gut aufbereitet. Über das Leben auf der Insel und über die vielen Bananenplantagen haben wir ebenso viel erfahren. Das ist wohl etwas, was mir die Reise gezeigt hat: Bus-Ausflüge und all-Inclusive-Reisen sind kein Todesurteil für eine gute Reiseerfahrung. Zwar war es nicht selbstorganisiert, wir war oft im Kreise anderer Reisenden und nun ja, eine Busfahrt wie ältere Herrschaften steht normalerweise auch nicht auf meinem Plan. Gegen mein Vorurteil war es aber durchaus eine Abwechslung und keine schlechte Erfahrung.

Was hat mir die Reise noch gezeigt? Eine Reise zu stornieren ist echt scheiße aber es geht. Über die Reise-Rücktritt-Versicherung meines Mannes, die in solchen Krankheitsfällen greift, wickelte ich alles ab. Da das aber etwas komplizierter und um-die-Ecke war als im Idealfall, schließe ich seither oft eine Versicherung direkt mit der Reise verknüpft ab. Ich bin seit diesem Vorfall ein Fan von Absicherung, denn ansonsten wäre ein vierstelliger Betrag einfach weg gewesen. Da die Reise nach Vietnam selbst zusammengestellt war, musste ich alle Module separat absagen. Manchmal war das mit gar keinen Kosten verbunden – wie z.B. die Absage der geplanten Tour durch die Halong-Bucht. Manchmal gab es kleine Stornierungskosten, das Hotel in Hanoi aber zum Beispiel hatte diese nicht – da ich immer Hotels buche, die bis zum Vorabend stornierbar sind. Ich musste zwar echt viele Informationen zusammenkratzen, aber so bekommt man eben sein Geld größtenteils zurück. Für die Flüge griff die schon angesprochene Versicherung. Mehrfach nachfragen und hartnäckig dran bleiben musste ich aber trotzdem. Aber gilt das eben nicht für alles im Leben? Hartnäckig bleiben…

… also bleib an dem dran, was du willst.
Tu was du liebt, denn alles andere ist Zeitverschwendung!

Beteilige dich an der Unterhaltung

7 Kommentare

  1. Wow, dass du trotz deinem MC und Stoma reisen kannst und es auch tust. Bemerkenswert! Eine Bekannte von mir, auch Stoma-Trägerin, kann sich leider sehr selten motivieren aus dem Haus zu gehen. Ich versuche sie immer wieder zu motivieren und aufzumuntern. Leider ist das schwieriger als gesagt, was mich selber dann manchmal (habe Colitis ulcerosa) auch herabzieht. Diesen Artikel werde ich ihr sicherlich zeigen. Vielen Dank dafür!
    Liebe Grüsse
    Christina

    Like

    1. Liebe Christina, vielen Dank für deinen Kommentar. Das „raus-gehen“ funktioniert bei mir auch nicht immer gut, manchmal verkrieche ich mich lieber. Halte fest an deinen Aufmunterungsversuchen, das ist sehr viel wert! Ich wünsch euch alles Gute und Motivation, jeden Tag von neuem in Angriff zu nehmen! LG Lila

      Like

Kommentar hinterlassen