Zwei Familien. Aus Albstadt und Potsdam.
4 Erwachsene. 3 Kinder zwischen 4-12. 1 Hund. Eine Woche in einem Haus, in Prag.
Urlaub mit Kind ist, seinen Alltag und seine täglichen Herausforderungen in ein anderes Umfeld zu verlegen und zu hoffen, dass es gut wird. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zu letzt.


Hinfahrt. Von Parkplatz-Tantrum mit Gurt-Verweigerung über’s Nickerchen bis zum Zielgerade-Minnie-Maus-Glück auf dem Tablett. Es gab so viel Wind, ich musste das Lenkrad mit beiden Händen festhalten. In Tschechien ist die Autobahn oft nicht so optimal – zwar halten sich die meisten an die Höchstgeschwindigkeit 130, die rechte Spur ist ziemlich schlecht geflickt und die Fahrbahn ist wie früher auf ehemaligen DDR-Gebiet aus Platten entstanden (es klackert die ganze Zeit beim Fahren). Nach sechs Stunden hab ich es geschafft, liebe das neue Auto. Wir kommen in gehobenen Prager Vorort an – das Grundstück von hohem Zaun umgeben wie alle anderen großen Häuser. Die Doppelgarage ist absoluter Luxus. Parke neben dem Auto unserer Freunde, ankommen ist ein schöner Moment. Meine Freundin und ich kennen uns seit wir 16 Jahre alt sind. 20 Jahre. Das halbe Leben mit so vielen Geschichten, gemeinsamen Zeiten und getrennten Wegen. Ich parke und wir sind gleich mittendrin. Das Abendessen kocht schon, wir dürfen uns die Zimmer raussuchen und nehmen die Zimmer für unsere Familie, die am Weitesten weg sind vom Wohnzimmer wegen der Ruhe am Abend. Wir trinken auf uns, hauen uns in den Bauch voll und gehen noch in den großen Garten. Nach dem Ausräumen meinerseits, dem Umstellen der Betten für unsere Schlafsituation und der Fahrt sowieso bin ich reif für’s Bett. Der Kleinen schwirren so viele Gedanken im Kopf herum, sie findet keine Ruhe. Bis zum späten Abend liegen wir wach im Bett, ich erzähle ihr Geschichten aus Urlauben vor ihrer Zeit bis sie irgendwann die Augen nicht mehr offenhalten kann. In einem großen Haus für alle, ohne Spinnen von denen ich gelesen hatte und mit so viel Spielzeug, das kriegen wir in einer Woche niemals durchgespielt. In den Bädern steht das gleiche hochwertige Raumspray, dass ich auch dabei habe für meine Versorgungswechsel und weder Bett, Boden noch Tür knarrt (Gold wert). Die ersten neuen Insider sind schon entstanden und nun darf ausgeruht werden.


Erster Tag. Morgens ab sieben Uhr sind wir wach wegen der Zeitumstellung zur Sommerzeit, es gibt einen langsamer Start mit gemeinsamen Frühstück. Manche sind angezogen, manche im Schlafanzug. Für uns ist hier sehr viel mehr Trubel als sonst, die Kleine ist beschäftigt. Durch die Prager City fahren wir auf zehn Uhr zum Zoo auf dem Berg neben der Innenstadt. Selbst in sechs Stunden zu Fuß haben wir nicht die Hälfte des Gelände gesehen. Es ist unser erster gemeinsamer Tag zu Siebt plus Hund. Ja, Hund im Zoo. Ich musste bei der Planung immer mit an den Hund denken, das heißt manchmal, genauer hinzusehen. Kein Problem. Wir sehen ein laufendes Gürteltier (noch nie gesehen), rennende Giraffen (auch noch nie gesehen), Keulen fressende Tiger, Chef-Orangutans und vieles mehr. Es ist definitiv interessant. Es windet stellenweise so sehr, der Sand vom Weg wird uns ins Gesicht geweht. Ohne Bollerwagen wäre der Ausflug nicht so entspannt gewesen. Ohne Kortisonspritze in meinen Fuß übrigens auch nicht, aber das ist eine andere Geschichte. Das Mittagessen ist lecker für einen Zoo und der Preis ist gut. Die Gehege sind schön angelegt, das Wegenetz könnte besser verzweigt sein. Die Sicht auf die Prager City ist schön, weil der Zoo erhöht außerhalb liegt. Der Rückweg findet viel zu spät für unsere Verhältnisse statt, deswegen planen wir das Abendessen spontan um auf schnelle Brotzeit, damit wir alle noch gemeinsam essen können. Die Männer gehen im Lidl einkaufen, ein Abenteuer für sich, weil die Sprache so fremd ist. Unsere Kleine isst im Schlafi und wir bringen den Tag gut zu Ende, alle brauchen den Schlaf. Ich bin platt wie der Boden, um meine Tochter zu zitieren.




Zweiter ganzer Tag. „Mama ich habe ECHT geschlafen“ – sie sitzt happy und ausgeschlafen neben mir. Wieder langsames Frühstück und die Picknickproduktion. Heute sind wir nicht gut organisiert, ich bin die Letzte im Schlafanzug und fühle mich morgens schon lost. Wir wollen die Moldau-Schleife mitten in Tschechien sehen. Also raus aus der Stadt. Der Weg dorthin ist mir klar, die Verkehrslage um Prag meistens eine Katastrophe. Ich verfahre mich trotz Planung und fahre auf die Autobahn mit dem Stau. Ich meine STAU, denn der Tscheche vor uns steigt aus und raucht. Niemand bewegt sich. Dann fährt man wieder richtig, alles lockert sich auf. Es folgt wieder Stillstand. Ich muss nicht sagen, dass ich richtig sauer war auf mich, dass es passiert war. Aber nur kurz. Wir wechseln das Navi, dann stimmt das Navi nicht mehr mit der Straße überein und wir verfahren uns wieder. Wir brauchen zwei Stunden statt einer Stunde, inklusive eines Heulanfall meinerseits am Steuer und 2 Stunden Tablett für’s Kind. Den Award für die besten Eltern erhalten wir heute nicht, wir wollen lösungsorientiert arbeiten. Wir kommen an, die andere Familie hatte nach einer Stunde Fahrt die schwierige Wanderung zum Aussichtspunkt bereits gestartet. Wir starten die Kleinkind-Route. Aber Kind und Mutter sind nicht gut zu Fuß, bisschen lauffaul (Kind) und ohne Kondition (Ich). Ich sehe fertig aus und fühle mich so. Es nervt und ärgert mich selbst. Nicht mein Tag und das ist auch okay. Bei der Aussicht auf einem großen Felsen wird gepicknickt. Die Aussicht war schön. Es war mehr geplant an diesem Tag, gemeinsam geplant. Es gibt noch einen Staudamm, einen Turm und eine Ruine in der Gegend, aber wir treten den Heimweg an, um einen gemütlichen Abend haben zu können. Wir fahren zurück, diesmal eine Stunde und barfuß – meine tollen Schuhe scheuern. Wir sehen Einiges von diesem Land. Ärmliche Dörfer, eine Beerdigung, Osterdekor an der Hauptstraße, eine kanadische Schule, Autos die bei uns nicht mehr fahren dürften, hügelige Landschaft und Schlaglöcher-Straßen. So hatte ich mir das ländliche Tschechien vorgestellt. Zurück im Haus fange ich das Kochen an, die andere Familie kauft noch mal was ein. Ich mache Kartoffelpüree ohne richtiges Werkzeug, denn das fehlt hier – ich stampfe mit einer Tasse und es wird cremig mit dem Rühreinsatz eines Handrührgerät ohne das Handrührgerät. Bin stolz. Danach sind die Kids im Garten, ich dusche und das Wasser tut gut, wie es auf meinen Kopf prasselt. Dann ist Bettgehzeit, mir fehlt meine Creme aus dem Kühlschrank gegen die Neurodermitis. Die ist grad viel zu oft aktiv. Muss eine andere Kortisoncreme nehmen, die ich mit habe. Geht nicht anders. Um 19 Uhr bin ich durch und wir gehen wie üblich zu Zweit ins Bett. Um 21 Uhr Aufruhr im Haus, ich merke es im letzten Eck des Hauses. Ein Gefühl in der Magengrube. Unser Tschechische Schutzengel ist da. Beim Nachbar brennt es, die Flammen sind schnell sehr groß. Was genau ist, können wir nicht erkennen. Ich gehe mich absprechen mit den anderen, die Männer haben die Lage außen im Blick und ich zieh mich wieder richtig an. Die Kleine schläft und ich bin sehr aufgeregt. Die Funken fliegen auf unser Dach, auf das Haus am Ende einer Sackgasse. Wenn das ganze andere Haus Feuer fängt, müssen wir zu Fuß raus und alles hier lassen. Das stresst mich. Der Spuk findet zum Glück ein schnelles Ende, es war nur des Nachbars trockene Hecke, nicht das Haus. Die Feuerwerk rückt ohne Sirene an und die Kleine hat die ganze Aufregung verschlafen.

Dritter Tag. Die Kleine und Papa schauen gleich morgens die verbrannte Hecke an (über den Mannshohen Zaun des Nachbars, versteht sich) und ich geh ins Bad. Erste heute, YES! Typischer Trubel beim Frühstück, aus dem Haus kommen wir vor halb 10 nicht. Obwohl ich heute mal zur Abwechslung weniger Kilometer fahren würde, fahren wir wieder fast eine Stunde eine Strecke. Heute mal Baden gehen, das Erlebnisbad im Vorort zu teuer, also ein anderes in Prag gesucht. Nur nicht richtig recherchiert und uns nicht verständlich – das Erlebnisbad macht erst um 14 Uhr auf, es ist halb elf. Das kalte 50-Meter-Becken ist bereits zugänglich. Das schlaucht natürlich die Laune aller, wir sind einmal durch Prag. Es ist ärgerlich für alle, besonders die Kinder, die nicht verstehen, was das soll. Keiner will mehr fahren, aber wir sind schon zu viel gefahren. Wir einigen uns auf 2 Stunden Botanischer Garten in der Nähe mit Picknick aus allem möglichen Essenbaren, was wir am Mann haben. Erst holprig, wird es für die meisten eine gute Zeit. Ich hatte nicht mal eine Jacke auf dem windigen Berg und die falschen Schuhe. Nicht ideal. Dann endlich geht der erste Teil ins Bad, wir. Erst ins kalte 50-Meter Becken mit Zuschauertribüne, es hat alles einen leichten Ostblock-Charme. Um 14 Uhr öffnet endlich der wärmere Erlebnisbad-Bereich. Alles für 25 Euro. Unsere Familie geht nach 2 Stunden wieder, der Rest bleibt mit größeren Kindern und rutscht um die Wette. Wir fahren ins Ferienzuhause und schauen nach dem Hund; im Anschluss gehen wir dann bei KFC im Ort essen, ziemlich scharf in diesem Land. KFC ist in Tschechien überraschend oft vertreten, warum, ist uns schleierhaft. Es ist mit über 110 Filialen der größte Fast-Food-Vertreter des Landes. Wir lassen den Abend rasch ausklingen, die anderen stoßen im Haus dazu mit ihren eigenen KFC-Eimern. Nach dem Baden schlafen alle Kinder tief und fest.




Vierter letzter ganzer Tag. Durchwachsene Nacht, mit Schmerzen im Fuß trotz Schmerzmittel. Ich nehme mich und somit unsere Familie aus Teilen der Stadttour raus, weil ich mit den Schmerzen nicht laufen will. Wir frühstücken alle und unsere Familie hat weniger Stress, wir räumen das Frühstück weg und der erste Teil bricht bereits auf. Wir gehen in den Garten, Blumensuppe machen. Danach gehen wir zum letzten Einkauf in den hiesigen Kaufland, nachdem wir schon im Lidl und im Albert Hypermarket waren diese Woche. Viele deutsche Produkte, EINE Brezel noch im Fach. Die gehört uns. Irgendwie lustig, weil wir sonst auch bei Kaufland einkaufen. Im Anschluss fahren wir auch nach Prag rein, haben einen Stellplatz in einer modernen Garage mit Auto-Aufzug in der Altstadt. Die Anweisungen über Sprechanlage ist zwar schwierig, es ist eine verrückte Erfahrung, ehrlich gesagt. Wir laufen durch die große Stadt, direkt zum Schiff. Die einstündige Tour mit der anderen Familie zusammen ist kurzweilig und nicht zu kühl. Wir nehmen die Stadt wahr, so gut es geht. Prag erinnert uns positiv an Wien. Dann geht es wieder zum Auto, schließlich wollen wir gemütlich im Garten grillen zum Abschluss unserer gemeinsamen Zeit. Das Auto unserer Freunde kommt mit dem Auto-Aufzug, obwohl unseres kommen sollte. Wir warten, die anderen fahren schon mal, was soll denn schließlich passieren. Kurz danach finden wir die böse Wahrheit heraus: technische Probleme, unser Auto wird so schnell nicht kommen, es steckt fest. Wir hören die Dame am Empfang telefonieren, verstehen nur Worte wie „Polizei“ und „Fotos“. Ich erkläre unsere Situation und bin auch emotional. Ich will mein Auto, ich will es jetzt. Mit Kleinkind keine entspannte Situation, die Frau vom Empfang versucht ihr Bestes. Bald verstehen wir, dass das ganze System für dieses Level, auf dem unser Auto geparkt wurde, lahm liegt – bei einem anderen Auto ist der Kofferraum aufgegangen. Dieses Auto sowie das System sind beschädigt. Immer mehr Parteien möchten auf ihre Autos zugreifen, wir sind nicht die einzigen Besitzer mit Kleinkind. Mehrere Techniker kommen, keiner kann eine Auskunft treffen, die uns tatsächlich hilft. Wir sind mega angespannt, obwohl wir wissen, dass unser Auto kein Schaden hat, gehen draußen ein paar Schritte und essen ein Eis auf einem Ostermarkt, auf dem gesungen wird. Eigentlich eine schöne Momentaufnahme, der Kleinen gefällt die Musik und sie versteht ein universelles Wort und ist stolz. Zu recht. Wir erhalten telefonische Entschuldigungen vom Parkanbieter, wir wollen aber einfach unser Auto. Ein einziger Wunsch. Da wir keine hilfreiche Aussage erhalten, rufen wir unsere Freunde an, um durch die Rush Hour zurückzukehren und uns zu holen. Damit wir das Auto morgen früh holen, wenn sie das Problem hoffentlich behoben haben. Nach fast drei Stunden eine verständliche Reaktion. Dann passiert etwas, woran ich nicht mehr geglaubt hatte: die Techniker haben es geschafft, aus dem Nichts erfahren wir: noch 10 Minuten. Wir gehen nach draußen und sehen das Problemauto in einem der beiden Aufzüge, die Heckklappe zerfetzt, viele Menschen warten. Dann geht der zweite Aufzug auf, unser Auto steht drin. Mein erleichterter Aufschrei irritiert alle, mir egal. Es ist da. Wir schmeißen unsere Sachen und uns hinein, in diesem Moment stellt sich jemand fast mit in den Aufzug und will wissen, wie wir das Parken finden – während ich im Aufzug stehe, mit keinem Funken Vertrauen für das System und mit Problemen in geschlossenen Räumen. Ich will raus da. Jetzt. Ich bin unfreundlich, sage ihr, dass ich keine Auskunft geben kann und starte den Motor. Wir fahren. Überreizt. Müde. Erleichtert. Bis wir fast aus der Innenstadt raus sind und wir angerufen werden: mein Handy liegt noch am Empfang, beim Laden. Dumm gelaufen. Wir drehen wieder um. Wahnsinn. Dann endlich kommen wir ins Ferienhaus, die anderen haben schon alles für’s Grillen im Garten gerichtet. Wir stoßen an auf unser neues Auto – das Glas war in meiner Hand, als beide Füß den Garagenboden berührten – und das Ende einer nun lustigen Geschichte mit Happy End, auf eine Abenteuer-Woche. Dann ist schon wieder ein Tag vorbei und damit auch der ganze Urlaub. Wir zwei gehen ins Bett. Heute stehe ich noch mal auf, die Kinder haben darum gebeten und wir essen Eis zusammen. In der Nacht komme ich noch weniger zur Ruhe, als die Nacht davor. Auch das harte Bett und ich sind keine Freunde. Die Kleine schlummert neben mir – das beste Gefühl.


Und was ist auch ein gutes Gefühl?
Nach Hause zu fahren. Egal, wie der Urlaub war. Nach Hause kommen ist schön. Wenn die Fahrt lang war und es einem reicht, … und dann die Umgebung bekannt aussieht, die Orte vertraute sind und die letzten Kilometer rückwärts zählen.
Unterwegs sein ist gut.
Heimkommen ist gut.
Gerade jetzt, wo ich körperlich so zu kämpfen habe, ist nach Hause kommen wichtig für mich. Das war früher anders, aber das ist okay. Die richtige Mischung macht das.
