

Packen war ein Leichtes für diese kurze Reise, denn das Handgepäck zeigte mir die Grenzen. 8 Kilo plus meinen Rucksack, 1 Liter Flüssigkeit maximal und keine scharfen Gegenstände. Auch für Stomaträger ist das machbar, hatte ich nach Tallinn schon aufgezeigt. Meine Klamotten sind alle schwarz (ich muss also nicht lange überlegen), den einen Pulli hätte ich mir absolut sparen können und bei der Jacke, die ich daheim ließ, hab ich schon alles richtig gemacht. Meine Versorgungsplatten habe ich daheim vorgeschnitten und mein Pflasterlöser-Spray, meinen Reinigungsschaum und die Beuteltropfen habe ich in Reisegrößen sowieso zur Hand. Ich habe wie immer zu viel Versorgung dabei, für den ein oder anderen Unfall und für Durchfall. Ich weiß ja nie. Meine Familie bringt mich zum Flughafen und weg bin ich. Dachte ich. Die Trennung von meiner 4,5 Jährigen funktioniert gut, wir bleiben wie gewohnt in Kontakt mit Sprachnachrichten. Alleine bin ich seit 8 Jahren nicht mehr geflogen, aber in alle den Jahren oft genug, um routiniert zu sein – besonders, was den Umgang mit den Sicherheitskontrollen und Stomaträgern angeht. Das Gerät schlägt natürlich an, ich sage nur „Klar, ich bin Stomaträger“ und die Mitarbeiterin sagt „Achso, dann müssen wir kurz in die Kabine“. Sie ruft in den Raum hinein, eine helfende Hand wird geholt. Wahrscheinlich eine Kabinen-Regel, nie allein. Ich könnte mir den Beutel ja vom Leibe reißen und so weiter… Wir verschwinden alle drei in der Kabine – nur in Deutschland passiert mir das. In 9 Jahren hat mich im Ausland noch nie ein Mitarbeiter ins „Separee“ gebeten. Wir werfen einen Blick auf den Bauch samt Beutel, ich erzähle von Sprengstofftests, die ich schon machen musste, dann ist der kleine Spaß auch schon vorbei. Nachdem auch mein Kleid wieder alles bedeckt, geh ich mir ein Bier holen und schau mir die Flugzeuge an den Gates an. Es ist mir jetzt schon zu warm und ich wünschte, ich hätte kürzere Sachen dabei. Hier merke ich, dass ich mein Nasenspray zu Hause vergessen habe. Alles dabei, das nicht. Es ist Wochenende, ich kann nicht auf die Schnelle entdecken, ob es am Flughafen BER eine Apotheke gibt, also schreibe ich meiner Freundin in Potsdam. Die Apotheke gegenüber hat noch offen und sie springt noch schnell rüber. Ein bisschen verrückt, aber so war es. Ich suche mein Gate und bald wird eingestiegen. Sind wir ehrlich, als große Frau sind die Durchschnittssitze kein Traum. Zu dicker Hintern, ist so. Zum Glück nur Kurzstrecke. So gern ich früher geflogen bin, desto mehr weiß ich nun, dass mich Fliegen in die Welt bringt. So wirklich fantastisch finde ich es nicht mehr, wenigstens wird mir heute nicht zum Kotzen elend. Heute passiert sogar Etwas, dass mir in meiner ganzen Fliegen-Laufbahn noch nie passiert ist: Wir fahren auf die Startbahn und drehen wieder ab… und warten dann neben der Startbahn 50 Minuten ohne Information aus dem Cockpit. Wir stehen einfach dort. Ich weiß nicht mal, ob ich heute noch nach Berlin komme oder noch nach Potsdam, wie es geplant ist.



Nach 50 Minuten starten wir kommentarlos, weitere 10 Minuten später melden sich die Piloten. Eine Anzeige hatte nicht funktioniert, Starten war so nicht möglich gewesen. Die Reparatur war rasch erfolgt, die Flugsicherung soll aber 40 Minuten für einen neuen Slot gebraucht haben. Auf dem Flug höre ich mir meinen Podcast von vor 5 (!!!) Jahren an, bei dem ich schon über meine Geschichte und Schwangerschaft mit Stoma berichtete und lese mir den Content durch, den ich morgen beim Event loswerden will. Aus dem Flugzeug sehe ich Potsdam unter mir und auch den Fernsehturm in Berlin. Über den Wolken sein ist doch ein optisches Highlight, das bei mir nie an Charme verliert. Aus dem BER, den ich im Bau zu Studienzeiten mal am Rande besucht hatte, ist ein ausgewachsener Flughafen geworden. Ein Flughafen mit Apotheke… ich decke mich noch mal ein. Ich weiß ja nie. Der Expressbus BER2 nach Potsdam ist schnell gefunden und ich komme durch meine Verspätung ja fast pünktlich zur Abfahrt. Im Bus schalte ich zum ersten Mal ab: Ich bin hier. Zum Glück ist der Bus fast leer, das ist mega angenehm. Ich lasse die Landschaft und Häuser an mir vorbeiziehen. Meine Ankunft am Stern-Center in Potsdam, meinem „Hood“ von 2009-2011, kommt schneller als gedacht und es fühlt sich alles so vertraut an. Immer noch, es irritiert mich fast ein bisschen. Meine Freundin holt mich vom Bus ab, wir drücken uns so fest und lange, dass der Bus schon weg ist, als wir uns in Bewegung setzen. Auf dem Weg in ihr Büdchen schwelgen wir in schönen Erinnerungen an eine Zeit, die nie wieder kam und sich Lichtjahre entfernt anfühlt. Die Chemie passt, genau wie damals, einfach super easy. Meine Freundin ist Mitte 60 und seit Kurzem in Rente. Ich weiß, dass die wenigen Stunden mit ihr wie im Flug vorbeigehen werden. Wir laufen zu unserer alten gemeinsamen Arbeitsstätte, Mediamarkt. Ich bin vor 13 Jahren zurück in „den Westen“ und das war für viele damals ein Schock „Wie du bist ein Wessi?“ und nun erkennen mich hier Menschen und ich erkenne sie. Das finde ich einfach ziemlich verrückt, war ich damals doch nur eine studentische Aushilfe. Aber ich war gut und hab mehr gearbeitet, als nur eine normale Aushilfe. Trotzdem verrückt. Ich bin baff, als meine Freundin mich zum Filialleiter bringt. Selbst er erkennt mich. Meine Freundin meint, ich muss Eindruck hinterlassen haben. Scheint so, ich muss lächeln. Wir verbringen entspannte Stunden mit Trinken, Essen und Quatschen. Wie erwartet, ist alles viel zu schnell vorbei. Ich ziehe mir ein Ticket Berlin ABC für 4,40 Euro – früher waren das glaube ich 3,20 Euro. Die Sonne strahlt, als ich mit der Tram zum Hauptbahnhof, mit der S7 nach Wannsee und mit der S1 von Wannsee nach Schöneberg fahre. Die Fenster stehen offen, es weht ein angenehmer Wind in der Bahn, ich höre Musik und entspanne mich wieder. Die Gedanken schwirren frei in meinem Hirn umher. Ich entspanne mich, während ich in Bewegung bin und wenn die Bahn nicht so voll ist gleich mehr. Dann füllt sich mein Beutel überraschend und schnell, noch 5 Stationen habe ich dann übrig und das Hotel kann ich vom Gleis aus sehen. Also hab ich Glück. Nach dem Check-in kurz die Sachen auf’s schöne Zimmer bringen und Beutel wechseln. Der kleine Mülleimer in diesem Hotelbad ist natürlich für jemanden wie mich ein Witz. Dann wandere ich zur Bar mit dem schlecht gelauntesten Barkeepers Berlin, denken wir alle, um mich mit zwei meiner Mädels zu treffen, die auch im November bei meinem CED-Treff auf der schwäbischen Alb dabei waren. Es ist so schön und einfach, mit diesen Menschen zusammenzukommen und mir geht da schon das Herz auf. Am späten Abend genieße ich die Möglichkeit, für mich zu sein. Ich packe aus, finde mich mit meiner Ordnung im Zimmer zurecht, dusche und lege mich in mein großen gemütliches Bett in einem kühlen Zimmer.







Ich darf ausschlafen, denk ich mir, als ich um 6:30 aufwache. Ich will ausschlafen, also gehe ich kurz ins Bad und dann leg ich mich wieder hin. Einfach, weil ich es kann. Ich schlafe wieder ein, bis mich mein Wecker um 8 Uhr weckt. Es ist so ruhig hier im Hotel oben, das genieße ich im siebten Stock im letzten Zimmer im Gang mit dem Blick auf einen Friedhof. Ich melde mich bei Zimmer 108 und verabrede mich zum Frühstück auf 9 Uhr. Ich dusche erneut und reiße die kleinen Fenster für Frischluft auf. Katharina und ich labern uns durch’s Frühstück und wollen im Anschluss in der Nachbarschaft einen Friedhof gemeinsam erkunden. Klingt komisch, ist aber so. Wir mögen Friedhöfe, auch gern so alte. Dieser hat maximal 130 Jahre alte Gräber und wir wandern teils über Gras, weil es gar keine richtigen Wege oder Pfade gibt. Es regnet, Glocken läuten und wir reden. Über Persönliches und Banales. Wir entdecken Schätze und schon vergessene Namen, erfinden Familiengeschichten je nach Grabanlage und überdenken das „Was bleibt in zwei Generationen noch von mir übrig“ … nicht in einem ängstlichen deprimierten O-Ton, interessiert und realistisch. Wir lachen auch und genießen die Zeit, bleiben aber respektvoll distanziert, wenn wir Trauernde entdecken. Wir sind keine Unmenschen und auch keine Maschinen, weshalb wir uns nach unserem Ausflug noch eine Stunde lang machen, wie ich zu sagen pflege. Noch mal aus allen Klamotten herausschlüpfen und chillen, bevor der Event stattfindet. Vor über einem halben Jahr habe ich Flug und Hotel gebucht.







Der Spaziergang bis zur Malzfabrik a.k.a die Location, den ich so im Kopf hatte, ist viel zu warm in praller Sonne und anstrengend. Ich bereue mehr als einmal, nicht den Uber vom Hotel aus mit Katharina genommen zu haben, aber bin auch zu stur und stolz, das wirklich zuzugeben und uns noch den Uber zu holen. Nach einer halbe Stunde mit hochroter Birne, kommen wir an. Viele Menschen sind da, so unterschiedliche Menschen, die etwas verbindet. Ich bin so froh, hier zu sein. Dass ich nach vielen Jahren des Schreibens und des Networking Menschen zum Anfassen habe. Oft bin ich zu weit weg von den Treffen oder ich kann das spontane Kommen nicht einrichten. Dass ich Menschen treffen und drücken darf, deren Arbeit ich seit Jahren mega finde oder mit denen ich gemeinsame gewachsen bin, ist toll. Ich drücke mich über den Tag durch die Leute, die ich unbedingt sehen will und mache natürlich Erinnerungsfotos, die ihr unten sehen könnt. Es ist insgesamt eine Erfahrung mit so vielen Eindrücken, die ich in dem Moment gar nicht verarbeiten kann. Erst mal treffe ich all diese Menschen und ich weiß teils nicht mal, wie ich sie ansprechen soll. Weil ich in mir immer denke „mich kennt doch niemand“ und dann denk ich mir, warum ich die Leute ansprechen soll, was ich ihnen geben kann, wenn sie mich treffen und der Gedanke ist irgendwie Quatsch. Die, die ich anspreche, wissen sehr genau, wer ich bin und was ich seit Jahren mache. Und dieses gegenseitige Verständnis, die Anerkennung für die Aufklärungsarbeit (so unterschiedliche diese auch ausgelebt wird) und die Freude, sich endlich im echten Leben gegenüber zu stehen, ist wirklich unbeschreiblich. Zwei mal habe ich mich an dem Tag etwas zurückgezogen, einmal draußen (auf der Rampe der Fabrik sitzend und dem Regen zuschauend) und einmal im Zuschauerraum (als grad kein Auftritt am Laufen war). Im zweiten Moment darf ich einen Fangirl-Moment erleben und das macht mich tatsächlich sprachlos. Ich werde angesprochen, danke noch mal dafür, dass du mir diesen absolut süßen Moment geschaffen hast! So liebe und unerwartete Worte waren so schön und ich weiß, ich habe von Ohr zu Ohr gelächelt. Ich springe zwischen dem Froschteich im Hinterhof, Diskussionsrunden und persönlichen Gesprächen hinterher. Ich werde ein paar Mal tatsächlich angesprochen in Bezug auf die Verbindung von Crohn und Endometriose. So eine unglaublich bunte Mischung von Menschen sieht man hier und es ist wunderschön zu beobachten, was aus der Community die letzten Jahre geworden ist. Auch, wie man sich in Diskussionen beteiligt und mit Informationen herausrückt, die man in Alltag nie im Leben freiwillig in einer Gruppenunterhaltung raushauen würde, aber mit diesem Haufen von Menschen passiert das ganz einfach und wir profitieren alle davon, dass es einfach passiert und wir ohne Erklärung, ohne Entschuldigung oder schlechtes Gewissen frei reden können. Mehrfach darf ich an diesem Tag hören, dass ich eine der ersten war 2017/18, die über Instagram auffiel, was das Leben mit Stoma betraf und wie viel Mut ich damit anderen gegeben habe und ganz ehrlich: WIE GEIL IST DAS!!! Mein Herz überschlägt sich.
Der Auftritt zu Schwangerschaften mit CED/Stoma, bei dem ich selbst mitwirken darf, verläuft toll und macht Spaß. Ich bin wahrscheinlich die Einzige, die an diesem Tag auf dieser Bühne flucht, aber so bin ich halt und es kam von Herzen und war sehr passend. Keine Entschuldigung notwendig. Auch in Bezug auf dieses Thema werde ich im Nachhinein aus dem Nichts angesprochen und angeschrieben, das finde ich einfach wundervoll. Einmal bin ich auf dem Klo beim Händewaschen, da werde ich angesprochen, wie meine Seite noch mal hieß. Die Reaktionen darauf sind schön „Ach da war ich letztens drauf“ und auch die andere Junge Frau, die aus der Kabine kommt „ja, die Seite kenne ich auch“. Zum Klo übrigens noch eine Beschreibung: Die Türen sind aus Metall, schwer und laut. Passend laut an einem Tag, an dem wir laut sein wollen – und nun sind wir es zusätzlich auf dem Klo, was so super passend ist für CED. Außerdem sind die Türen rustikal, fast wie Gefängnistüren – was ich auch bezeichnend fand, weil die CED uns immer wieder mal wie ein Gefängnis vorkommt.
Die Überraschung am Ende ist eine Art Catwalk, Video davon seht ihr weiter unten. Ich wusste, da kommt was, aber ich wusste nicht, was. Nach einem Tag mit so vielen Eindrücken, Gefühlen etc. laufen hier Menschen mit einfachen Aussagen durch den Raum, die für uns nicht immer einfach sind. Das ist einem gesünderen Menschen gar nicht so einfach vermittelbar. „Ich lebe“ „Ich bin sexy“ „Ich bin eine Kämpferin“ „Ich bin nicht allein“ „Ich bin mehr“ Also da laufen Menschen in Schwarz und mit ernster Mini mit diesen Aussagen und wir klatschen (Katharina neben mir), weil wir finden, dass das zu beklatschen ist. Dass es wichtige Aussagen sind und richtig. Und dann passiert so ein krasser Scheiß wirklich: die gleichen Menschen laufen eine zweite Runde, mit Glitzer bemalt, stolz und zu Unstoppable von Sia, mit ihren Narben und Stomabeuteln und mehr. Und wir sitzen einfach nur da und können die Tränen nicht mehr drin halten, es ist wie ein Kloß, der sich löst und man fühlt das bis in die letzte Zelle seines Körpers, fühlt man, das man auch verdammt stolz ist und stolz sein kann und stolz sein darf. Die Tränen waren nicht aufzuhalten und es ist absolut in Ordnung. Und dann ist es irgendwie zu Ende. Wir sind fertig. Müde. Erschöpft. Ausgelaugt. Aber zufrieden. Glücklich. Stolz. Ein paar Mädels schließen sich zusammen und fahren gemeinsam ins Hotel, sonst hätte ich nun sowas von den Uber geholt. Wir landen wieder in der Bar mit dem Barkeeper ohne Bock, einfach nur um den Abend ausklingen zu lassen. Es ist ein schönes und einfaches Ende. Ich gehe völlig k.o. hoch – natürlich fahre ich mit dem Aufzug – und lande wieder in der Dusche. Das Wasser tut gut, wie es auf die Haut prasselt und mich entspannt. Ich versuche runter zukommen, schließlich ist es erst kurz nach 22 Uhr. Ich schlafe nicht richtig vor 1 Uhr in der Nacht, erst jetzt merke ich, wie sehr ich diesen Tag unter Adrenalin stand und mich nun die Erschöpfung und die Schmerzen einholen. Da ich meine eigene kleine Apotheke dabei habe, ist das kein Problem. Nur, und das wird mir erst am nächsten Abend daheim bewusst, erinnere ich mich teils gar nicht an die Unterhaltungen auf Instagram, die entstehen, weil man ja den Tag über Eindrücke postet. Daran merke ich erst später eben, wie krass mich das Erlebte beeinflusst hat und wie sehr mein Hirn und Herz gearbeitet haben heute. Irgendwann schlafe ich wieder in dem großen Bett in dem kalten Zimmer ein…













Ich darf erneut ausschlafen, diesmal wach ich auch nicht um 6.30 auf. Selbst den 8 Uhr Wecker drücke ich noch mal weg. Es ist 8:30 Uhr, als ich mich zwinge, langsam zu starten. Es fällt mir schwer, gestern steckt mir noch immer in allen Knochen. Ich dusche – welch Überraschung – in der Hoffnung, dass es mir beim Wachwerden hilft und das tut es. Meine Stimme ist kratzig und mein Fuß pocht und tut vermehrt weh. Gestern habe ich schon gerechnet, wann ich spätestens das Hotel verlassen muss. Ich habe also noch zwei Stunden. Gerade lasse ich mir meinen ersten Kaffee raus, als mir Kristen auffällt. Ich wusste gar nicht, dass sie auch in diesem Hotel ist und so entwickelte sich das Frühstück zu einer wunderschönen Überraschung für mich. Die anderen Mädels waren schon alle weg, Kirsten und auch Eva so wie ich nicht. Durch das lange Frühstück und das intime Zusammensein verstand ich einfach noch ein paar Dinge im Hintergrund und das fand ich mega spannend. Ich war dankbar für das Vertrauen und den stärkenden Morgen. Irgendwann zog ich mich zurück, packte meine Sachen und bewegte mich Richtung Hauptbahnhof. Wie sehr ich diesen Wind in den U- und S-Bahn-Tunnel mag, er ist wirklich stark und steht absolut im Kontrast zu den stickigen Bahnen innen drin, wenn viele Leute drin sind. Am Brandenburger Tor muss ich um steigen, ich lass es mir nicht nehmen, einmal das Tor zu sehen. Aber es ist so warm und so voll, dass ich zwar das Tor sehe, dann aber umkehre und mit der Bahn weiterfahre. Auch die U-Bahn-Station im ehemaligen Mauerbereich lässt mich nicht kalt. Ich fühle mich dankbar, dass die Mauer nicht mehr physisch existiert – auch wenn sie in anderen Arten immer noch besteht. Am Hauptbahnhof brauche ich bei all den Läden, Schildern und Ebenen ziemlich lange, bis ich die wenigen Schließfächer finde. Ich stehe in eine kleinen Schlange, alles voll. Ich bin etwas genervt davon, ich überlege, wie ich das Problem lösen könnte. In diesem Moment spurtet Katharina an mir vorbei zu ihrem Schließfach, es ist ein wunderbarer Zufall, ein wunderschönes Ende unserer Begegnung diesmal. Ich übernehme frecher Weise Ihr Fach.






Nun habe ich ein Treffen mit einer weiteren Person, die ich seit Jahren über Instagram kenne. Mit der ich schon kleine Projekte gemeinsam gemacht habe und die auch viele Aufklärungsarbeit leistet. Am Hauptbahnhof umarmen wir uns noch auf der Straße, bis ich uns auf dem Gehweg bugsiere. Wir laufen durch eine kleine grüne Oase mit Schrebergärten mitten in der Stadt und landen in einem schönen Café mit lecker Kaffee und Kuchen. Es ist die Möglichkeit, jemanden im echten Leben reden zu hören, zu erleben. Unter einem Schirm erzählt sie mir so wahnsinnig viele Dinge von sich, es sprudelt alles aus ihr Heraus und es ist eine kurzweilig Zeit, die dabei vergeht. Als wir uns wieder zum Hauptbahnhof begeben, muss ich umdisponieren, um zum Flughafen zu kommen. Die S-Bahn fährt nicht durch wegen einer Baustelle, also lande ich in der Regio, die am Flughafen dann einfach mega vollgestopft ist. Ich komme am BER an und hab nur noch eine Stunde wirklich Zeit und wenn man sich nicht auskennt, ist das einfach ein ungewisser Faktor. War mein Stoma Ru die zwei Tage sehr brav, meint er jetzt, richtig aktiv zu sein. Ich brauche auf jeden Fall ein Klo vor der Sicherheitskontrolle. Das Klo hat nur eine Kabine, hinter mir wartet noch jemand und ich habe in der einfachen Kabine mit vollem Beutel heute wirklich ein kleines Massaker, was mich mega stresst. Ich bekomme es zwar hin, im Eifer des Gefechts reißt mir aber die Strumpfhose. Ärgerlich, war meine Lieblingshose. Zum ersten Mal falle ich bei der Sicherheitskontrolle nicht auf, niemand sagt etwas, ich bin sofort durch. Diesmal fliegen wir direkt los, kein warten neben der Startbahn. Ich hebe ab und denke mir, wohin mich dieses Flugzeug bringt und was wohl in der nächsten Zeit alles auf mich zukommt. Im Flugzeug nicke ich mehrfach fast ein, ich bin einfach erschöpft. Mein Mann holt mich am Flughafen ab, die Kleine ist bei Oma daheim. Das Hin und Her mit mehr als einer Stunde Fahrt für eine Strecke muss nicht sein. Im Auto erzählen wir uns von den letzten zwei Tagen, ohne Unterbrechung und ich bin froh, wie gut alles nun geklappt hat. Daheim freue ich mich unbeschreiblich, meine Tochter in die Arme zu schließen und ihren Erzählungen zuzuhören.
Würde ich das wieder machen? Oh ja!



