Mein Fuß – eine meiner Baustellen

Seit über drei Jahren habe ich Schmerzen im Fuß. Ich meine nicht, dass es unangenehm ist.

Es tut weh.

Bei jedem Schritt.

Bei jedem Abrollen.

Im Ruhezustand.

Jeden Tag.

Jede Nacht.

Zuerst hatte ich es auf den Crohn geschoben, Entzündungen in Gelenken hatte ich schon gehabt in den Fingern. Dann schob ich es auf zu viele Medikamente und andere derzeit akutere Probleme. Danach fing ich an, es schön zu reden. So schlimm wäre es nicht, könnte schlimmer sein. Ihr kennt das Karussell im Kopf, bei dem man sich selbst ein tatsächliches Problem klein redet, um damit zurechtzukommen. Vielleicht war ich mit der Gewichtszunahme durch das letzte Mal Kortison zusätzlich einfach zu schwer für meine Füße – das Problem bestand aber in der Tat schon bei 90 kg, nicht erst jetzt mit 25 Kilo mehr. Vor fast zwei Jahren fand ich genügend Mut, zum Orthopäden zu gehen. Das Röntgenbild damals gab keinen Aufschluss und ich war nicht mutig genug, zu meinem Empfinden zu stehen. Ich gehöre zu den Menschen, die durch bisherige Erfahrungen Probleme entwickelt hat, sich selbst zu glauben. Dem Schmerz und der Wut zu glauben. ABER Ich hatte Beschwerden, sie waren nicht normal und nicht akzeptabel. Ich wusste das, tief in mir drin, wusste ich das. Aber sich beweisen zu müssen, dass es nicht eingebildet ist, dass man den Ursprung suchen muss und er einen nicht sofort anspringt, dass es wirklich echt ist – das ist sehr stressig für mich und beängstigend. Ich wusste, das etwas nicht stimmt. Ein Gespräch in der Kur hatte mir hierzu Rückendeckung gegeben, sich diesem Problem anzunehmen. Ich musste und durfte dranbleiben, auch wenn es Kraft kostete.

Im Dezember letzten Jahres war ich also wieder beim gleichen Orthopäden. Das Röntgenbild war erneut unproblematisch. Und ich sagte: „Ich weiß, dass man nichts sieht. Aber ich habe wirklich Schmerzen!“ und mein Arzt guckte mich an und sagte: „Ich glaube Ihnen!“ 20 Minuten dauerte im Januar diesen Jahres dann das daraus resultierende MRT vom rechten Fuß. Bei der Hälfte gab es eine Sequenz, in der mein Fuß sich wirklich nicht gut anfühlte. Er brannte an dem Problemstellen richtig stark, dann wieder fühlte er sich an, als würde er sehr rasch einschlafen. Ich begann mich zu beruhigen und abzulenken mit der Box-Breathing-Technik, während das MRT seine ganze eigenen Laute von sich gab. 4 Sekunden einatmen, 4 Sekunden halten, 4 Sekunden ausatmen und 4 Sekunden halten. Ich schaffte es, den Fuß nicht zu bewegen, auch wenn es mir sehr schwer fiel. Von Vorne anfangen wollte ich auf keinen Fall.

Am nächsten Tag hatte ich per e-Mail bereits den Befund. Meine weiterhin unterschwellig existierende Angst, dass auch das MRT Nichts hervorbringen würde, verschwand. Ich musste googeln, was manche Ausdrücke bedeuteten und war dann gefühlt nicht schlauer. Dann fragte ich mich, ob das alles altersgemäß war oder normal. So ziemlich alles an diesen Zeilen verunsichert mich und das war eine Woche lang ein ekliges Gefühl.

Dann war mein Termin beim Orthopäden zum Besprechen der Befunde. Mein Tag war so voll mit anderen Dingen, ich konnte meine Sorgen und Fragen in Bezug auf diesen Termin gut verdrängen. Im Wartezimmer dann die aufkommende Angst. Vor Behandlungen. Vor keiner Behandlung. Ich wusste nicht, was passierte und das machte mir Angst. Der Arzt erklärte mir anhand meiner eigenen Bilder die Befundpunkte. Lange Rede, kurzer Sinn: viele unterschiedliche Anzeichen von Entzündungen und Überbelastung. Kein Wegweisender Befund. Nur noch eine Idee.

Am nächsten Tag gab ich Blut ab, es sollte auf Rheuma getestet werden. Meine Tochter musste mit, ging nicht anders, obwohl ich bemüht bin, sie nicht von Arzt zu Arzt zu schleppen. Blutannahme, das war spannend für sie. Ich wusste aber nicht, ob ich eine Bestätigung von Rheuma mochte, oder eben nicht. Mit Mitte 30. Wenn ich ehrlich war, hätte ich nach drei Jahren voller Schmerz, der nicht weggeht, bitte gerne einen Lösungsweg. Wenige Tage darauf rief ich aus dem Urlaub in der Praxis an, um die Ergebnisse zu erfahren. Mein CRP-Wert, der Entzündungsindikator, war leicht erhöht, das wurde aber auf den Crohn geschoben und die typischen Rheuma-Indikatoren im Blut fehlten laut Sprechstundenhilfe. Kein Rheuma. Neuer Termin in einem Monat, denn diese Situation war nicht mehr auszuhalten. Eher nicht ohne Aufstand möglich. Ein Monat ist eigentlich zu lang. Aber was sollte ich dagegen machen? Kein Rheuma – „Ist doch super“ bekomme ich darauf hin vermehrt gesagt. Ist es das? Sie sagten es, weil sie dachten, es gäbe eine leichte andere Lösung. Daran glaubte ich nicht mehr.

Ein Monat verging und die Schmerzen wurden schlimmer. Dabei belastete ich den Fuß nicht mehr, versuchte keine verrückte Sachen. Aber es wurde schlimmer und meine Stimmung dunkler. Meine Hoffnung auf Besserung oder Lösungen schrumpfte weiter. Besonders, als ich nach dem Monat den Termin wegen Krankheit von mir und meiner Tochter verschieben musste – auf einen weiteren Monat. Es schien eine Ewigkeit zu sein. Wieder warten auf etwas Hilfe, in die ich immer weniger Vertrauen habe. Weil der Arzt nicht voller Ideen war, keine Zuversicht auf weitere Möglichkeiten zeigte. Ich fragte mich, ob Rheuma zu schnell von Tisch war. Ich fragte mich, ob man akute Patienten mit täglichen Schmerzen so behandeln sollte. Aber die Kraft für einen Aufstand fehlte mir, dran bleiben kostete genug Kraft. Ich entschied, parallel zum Warten einen weiteren Orthopäden aufsuchen. In der Hoffnung, dass er mich und meine Suche ernst nahm und mehr Impulse geben würde.

Der Termin zur Zweitmeinung ging unheimlich schnell. Ich konnte es kaum fassen. Kind in die Kita bringen und eine halbe Stunde fahren. Vor Ort alles neu, war ja noch nie hier. So eine Sprechstundenkönigin, wie diese dort, hab ich selten gesehen. Eine Laune wie ein Einhorn, das Glitzer pupst. Musste selten so in mich hineinschmunzeln, oft habe ich ordentlich gelächelt. Ich kam zeitnah dran, frühstückte noch im Untersuchungszimmer, bevor der Arzt kam. Ich erhielt von 0 auf 100 sehr viel menschliches Verständnis für meinen bisherigen Weg. Wurde zugleich aber auch als menschliche Bombe beschrieben, denn irgendwie ist dieser Körper unberechenbar und macht allerhand Probleme, die sich gegenseitig oft im Weg stehen. Ich wohnte in diesem Körper, ich wusste das bereits. Aber inzwischen war das Gepäck, dass ich bei einem Arzt auspackte, kein zierliches Handtäschen mehr. Er sagte, keine Arthrose und kein klassisches Rheuma – aber eine Sesamoiditis (welches laut Google zur Familie der Rheumakrankheiten zählt). Ein paar Blicke auf meine wirklich schönen Füße (ja, Wortlaut Arzt) und dieser Fachbegriff fiel. Von einem Fußspezialisten. Kam beim anderen Arzt nie zur Sprache. Ursache nicht geklärt, Kortisonspritze empfahl er nicht, weil zu viele Nebenwirkungen und das Rausnehmen der Sesambeinchen sei auch keine gute Lösung. Er empfahl Stoßwellen-Therapie. Ich hatte davon noch nie gehört, war aber schlichtweg verzweifelt, Lösungen zu finden. Selbstzahler sein für eine von ihm als sehr schmerzhaft beschriebene Behandlung… ich hätte wahrscheinlich bald zu allem ja gesagt. Im Nachhinein die Situation in meinem Kopf wiederholend hätte ich nicht ja sagen sollen. Ich fuhr erst mal brav auf Arbeit, verhielt mich schön normal, während mein Hirn hirnte. War das mein Weg? Mein schlechtes Gefühl wurde immer lauter… bis ich am selben Tag Abends per Mail meinen erste Stoßwellen-Therapie absagte. Tauschte mich mit anderen aus, aber so viel hatten die Leute zu dieser Therapie nicht zu sagen und die Nachrchten waren sehr gegensätzlich.

Ich entschied, dass es nicht mein Weg war, kam mir zugleich aber im Frühjahr diesen Jahres einfach verloren und unmündig vor. Weil ich nicht nein gesagt hatte, beim ersten Bauchgefühl. Als wäre ich erst seit gestern Patientin und würde das nicht schon Jahrelang machen. Lag im Bett und hatte Schmerzen, brauchte Schmerztabletten, um Schlafen zu können. Schmerz mit Schmerz zu bekämpfen, mein Hirn konnte das nicht verarbeiten.

Mein Alltag bis zum nächsten Termin meines ursprünglichen Orthopäden war schwer. Ich hatte meine Laufbereitschaft auf ein absolutes Minimum heruntergeschraubt. Ich lief unrund auf Arbeit und bewegte mich nicht weit von meinem Bürostuhl weg. Stehende Meetings machte ich sitzend, weite Touren in den Versandbereich der Firma wurde von Azubis oder meinen Kollegen übernommen. Ich kam mir blöd dabei vor, merkte jedoch, dass es die Schmerzen kleiner hielt. Meine Physiotherapeutin meinte sogar, dass Homeoffice mit Ruhigstellung noch besser wäre. Das war aber nicht effizient möglich, Krücken waren auch eine Idee, was für mich keinen Sinn machte – ich konnte bisher schlecht mit Krücken laufen, war in der Mitte zu schwach und wie lang sollte das dann gehen? Nein. Auch privat lief ich zwar in meinem Haus, lange Strecken kamen gar nicht vor. Ich lief ungesund, die linke Seite rollte ich ganz normal ab und rechts rollte ich null, humpelte fast. Selbst auf Treppen vermied ich das Abrollen und landete lieber hart auf der Ferse.

Ich kam beim ersten Arzt trotz Warteliste nicht eher dran, viele Wochen hatte ich gewartet. Dann war er endlich da, der Tag des Termins. Wir handelten schnell ab, dass die Blutwerte wirklich kein Rheuma indizieren (Indikatoren nicht vorhanden, CRP-Wert zu wenig erhöht). Ich erzähle vom zweiten Arzt und der Diagnose „Sesamoiditis“ und dass ich von der Therapie mit Stoßwellen zurückgeschreckt war. Ich wählte an diesem Tag ihm gegenüber die Kortisonspritze, sofort. Auf dem Bauchliegend gab es die Spritze in den Fuß, der Einstich wirklich unangenehm. Und dann kein Problem. In ein bis zwei Wochen sollte ein Ergebnis spürbar sein, in vier Wochen Kontrolltermin. Das Infektionsrisiko ist bei Spritzen in den Fuß sehr hoch, ich bemühte mich die folgenden Tage sehr, immer ein saubere Einstichstelle zu versorgen bzw. das ursprüngliche Pflaster blieb zwei Tage schon mal drauf.

Zwei Tage nach der Spritze merke ich Verbesserung. Weitere zwei Tage später kann ich den Fuß beim Gehen ganz normal abrollen. Es war wirklich verrückt. Der Großzeh schmerzt nicht im Alltagslaufen, ich konnte es gar nicht beschreiben oder gar fassen. Dafür der Rest vom Fuß so: „Was, normale Bewegungsabläufe? Anstrengend“ War es so einfach mit de Spritze? Der Schmerz war fast nicht mehr existent!

Nach einer Woche gleich ein ziemlich langer Spaziergang, den ich bereute, weil danach ein Fuß schmerzte. Es war total unnötig, ich hatte weder auf meine Bedürfnisse gehört noch die Bedürfnisse klar kommuniziert. Weitere drei Wochen später sollte ich zum Kontrolltermin wiederkommen und nachdem ich mich vom Spaziermarsch erholt hatte, fühlte sich Laufen in diesen drei Wochen wundervoll an. Ich konnte wieder meine Sandalen tragen, nicht meine orthopädisch-wertvollen Schuhe. Liebe diese Sandalen by the way.

Der Kontrolltetmin rollte schnell herbei und der Arzt schloss, dass die Spritze ein Erfolg war. Ich traute dem „Frieden“ nicht, aber bis zu diesem Termin war der Erfolg der Spritze nicht abzustreiten. Leider hielt der starke Effekt des Kortison nicht so an. Schon weitere 4 Wochen danach war ein leichter Dauerschmerz wieder da, es war ernüchternd.

Ich kann zwar derzeit Kurzstrecken in Sandalen laufen, aber längere Strecken würde ich das nicht wagen. Ich tape den Fuß auch immer wieder an der zweiten Schmerzstelle, die bisher keiner erklären konnte. Ich werde aktiv an meinem Gewicht und an der Stärkung meines Bewegungsapparates arbeiten müssen, um so die Überbelastung zu verringern. An der Sesamoiditis wird das wahrscheinlich nicht viel ändern. Aber es gibt einige Weichen, die ich stellen kann und Wege, die ich zur Entlastung gehen kann.

Momentan weiß ich nicht, was das für die Zukunft heißt. Aber ich wollte zeigen, was an einer Nebenbaustelle alles so nebenher läuft. Chronische Schmerzen haben ihren Preis.

Join the Conversation

  1. Avatar von Alltag und mehr

1 Comment

  1. Puh, das klingt nach einer wirklich unschönen Odyssee. Und Schmerzen sind ja einfach so zermürbend…!!
    Ich hoffe, du konntest den Sommer trotzdem ein wenig genießen und es geht bald bergauf! Ich drück dir die Daumen!

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar