Ungewollte Interaktionen eines Bloggers

Wer sich heutzutage im Internet aufhält und Informationen preis gibt – so wie z.B. ich oder andere Menschen der CED-Community zur Aufklärung und zum Mut machen – muss sich auf ungewollte Interaktionen gefasst machen. Sie dürfen einem nicht gleich aus der Bahn werfen oder abhalten. Sie passieren, nicht mehr und nicht weniger. Dadurch lasse ich mich nicht beirren, ich lasse mich nicht von meinem Weg abbringen und ich bezweifle auch nicht, ob es richtig ist, was ich tue. Diese Meinung über mich wird nicht gebildet von Fremden im Internet, sondern von Menschen, die mich wirklich kennen und die mich nehmen, wie ich bin. Mein Mann hält sich genug im Internet auf, um zu wissen, welche Menschen sich dort aufhalten und vertraut mir, dass ich weiß, wie ich mit ungewollten Interaktionen umgehen muss.

Über die Jahre habe ich unterschiedliche Erfahrungen mit ungewollten Interaktionen gemacht. Und ich bin sehr sicher, dass andere in meiner Position die folgenden Beispiele ähnlich kennen und diese mehr Standard als Ausnahme sind. Wir reden oft über ungewollte Interaktionen was Ratschläge und Tipps von Fremden oder generell Dritten zu Behandlungen und Life style anbelangt. Aber über die viele andere Interaktionen reden wir seltener. Los geht’s.

Zu Beginn meiner Laufbahn als Blogger war ich viel im Englischsprachigen Raum unterwegs, weil sie z.B. in England bereits offener auf sozialen Medien waren. Weil ich dachte, dass die Reaktionen wohl 1:1 nach Deutschland übersetzt werden könnten, habe ich persönlich mit direkten Hass-Nachrichten gerechnet und auch mit vielen negativen und beleidigenden Kommentaren. Dort ist das nämlich Tagesordnung, die Nachricht sind vernichtend. Solche Nachrichten sind mir fast komplett erspart geblieben bisher, ein paar dumme Kommentare vielleicht und ja, ich weiß, dass Leute reden – aber was juckt mich das? Es wird immer geredet, egal was man macht. Wenn mich jemand fragt, ob das wirklich so nötig ist, wie ich es mache, antworte ich ja. Genauso funktioniert das.

Die nächste Kategorie sind Flirt-Versuche in Textform und nackte Frauen, ja Frauen und keine Männer und fragwürdige Werbung als persönliche Nachricht oder unter Beiträge für jedermann sichtbar. Diese Sachen sind schnell erledigt. Ich erzähle offen von meinem Mann und Kind, sie sind in meinen Kontobeschreibungen. Wer da einen Anmachversuch wagt, wird schlichtweg blockiert und fertig. Werbungen und anzügliche Angebote, bei denen der Algorithmus bei mir irgendwas berechnet hat oder die wahllos versendet werden, werden ebenso einfach blockiert. Was soll man sich damit aufhalten, es ist völliger Mist und wertlos. Passiert hauptsächlich auf IG.

Eine weitere Kategorie von Interaktionen, die mit Vorsicht zu genießen ist, ist die der Interaktionen, die einem ein komisches Gefühl geben. Meistens ist das „komische Gefühl“ berechtigt, trotzdem versuche ich, nicht sofort zu verurteilen und zu prüfen, ob das komische – also schlechte Gefühl – stimmt. Zwei Arten der Interaktionen, die sich häufen, sind a) extremes Interesse und b) Likes aus dem Nichts. Beides klingt nicht falsch, man freut sich über Interesse, man betreibt nicht ohne Grund Aufklärung und natürlich freut man sich über Likes und neue Follower zwecks Reichweite. Ob IG oder FB, bei Kontaktaufnahme bin ich neutral und frage, ob ich helfen kann. Die meisten wollen sich austauschen und das ist auch okay, fragen nach meinem Behandlungsweg oder Tipps. Ich helfe gern, wenn ich kann, letztens kam es wieder mal zu einem komischen Gespräch. A) Eine männliche Person stellte mir eine Frage zum Crohn, unverfänglich. Aber nur nach wenigen Nachrichten fühlte ich mich nicht mehr wohl, wie ausgenutzt für einen Fetisch oder irgendein perverses Interesse. Denn klar, Männer haben Crohn, aber das war meinem Gegenüber sehr schnell egal – die Endometriose interessiert ihn sehr, und zwar in Detail. Ich beantwortete ihm keine dieser Fragen, stattdessen fragte ich ihn, ob er ein Mann war, der als Frau geboren war und deswegen oder durch anderen Kontext von der Endometriose betroffen war. Mit seiner Verneinung war das Gespräch für mich vorbei, ihn würde das einfach sehr interessieren, sagte er. Ich verwies ihn darauf, dass das Internet genug allgemeine Informationen bereit hielt und ich nicht zum Ausquetschen für seine persönliche Langeweile oder seinen unangemessenen und ekeligen Eifer existieren würde. Seine Reaktion darauf war dermaßen unangenehm, denn er verteidigte sich nicht – als würde er genau wissen, dass sein Kontaktversuch Hintergedanken hatte und ich nicht darauf reingefallen war. B) Nicht nur Nachrichten können komisch sein, sondern auch die kleinsten Interaktionen können es. Über IG liked man einen Betrag mit Herz, es gibt keine andere Reaktion. Es gefällt dir? Herz. Da liebt dich nicht jemand, es ist einfach der Standard. Schnell kommt man an Herzen auch von neuen Follower. Ende vom Lied. FB ist da langsamer und anders – der Beitrag gefällt dir? Daumen hoch. Du kennst mich oder willst zeigen, dass der Beitrag dich berührt hat oder du Sympathie zeigen willst? Herz oder Umarmung. Nicht ganz so oft kommen hier neue Leute auf die Seite und reagieren, Herzen sind seltener, weil der Daumen hoch ja oft reicht. Jemand Neues, der bei einem kleinen Beitrag gleich ein Herz drückt? Naja. Nur ist es so, dass diese Kurz-Reaktionen benutzt werden können, wie das Gegenüber eben will. Darauf habe ich keinen Einfluss. Muss ich deswegen jeden Unbekannten gleich hinterfragen und schlechte Absichten unterstellen? Nein. Schaue ich mir jede Reaktion an? Zur Kenntnis nehme ich sie alle, bekannte Gesichter kennt man und wie gesagt – schön, wenn auch neue Leute dazukommen. Soziale Medien können verbinden. Kenne ich jeden, der auf meine Beiträge reagiert, persönlich durch Nachrichten? Unmöglich! Hellhörig werde ich bei Fake Profilen z.B. wie letztens erst. Ein arabischer Name mit arabischen Schriftzeichen, mir unbekannt sowie männlich und beim Check des Profils kein richtiges Profil, nichts auf Deutsch, sehr suspekt. Da ich weder Arabisch kommuniziere, noch Fake Profile für mehr Likes zahle und auch keinerlei Kontext ersichtlich war, war mir der Daumen hoch negativ aufgefallen und wurde deswegen blockiert. Mit diesen zwei Beispielen aus jüngster Vergangenheit hoffe ich, euch ein Gefühl für „komisch“ vermittelt zu haben. Über die Jahre kommt das immer wieder vor, beeinflusst fühle ich mich davon langfristig nicht.

Ebenso vermitteln möchte ich euch, dass nicht nur extrem negative Nachrichten übergriffig sind. Wie bereits erwähnt, dachte ich eben, dass ich damit hauptsächlich konfrontiert würde. Die letzte Kategorie ist eher genau das Gegenteil, nämlich unverhältnismäßig positive Nachrichten. Das letzte Bespiel würde ich als belästigend beschreiben, übergriffig im Sinne vom Vorgaukeln einer emotionalen Verbindung zueinander. Es war der blödeste Moment meines Blogger-Daseins, weil ich mir sehr arg zu nah getreten fühlte, und er ist der Grund für diesen Beitrag hier. Aus dem Nichts heraus folgte mir auf IG ein männlicher Account. Ein in sich echt wirkender Account einer echten Person, soweit ich das beurteilen konnte, ohne dem Account selbst zu folgen. Sehr rasch erhielt ich unter jedem Beitrag ein Herz – also nicht das Herz für ein Like des Beitrages, sondern ein rotes Herz als Kommentar darunter. Ich nahm es wahr, reagierte aber nie darauf und hoffte irgendwie, dass die Person sich einfach nur so ausdrückte – selbst wenn ich mich bereits hier unwohl fühlte. Dann fingen die persönlichen Nachrichten an. Als Reaktion auf meine Beiträge erhielt ich von diesem Account innerhalb eines Tages GIFs mit Küssen oder mit „Ich liebe dich“ und das war schlichtweg eine Belästigung – denn von mir gab es bis zu diesem Zeitpunkt keine einzige Reaktion. Ich schrieb die Person an, seine Nachrichten bitte einzustellen, da er mir zu nah getreten war. Es kam keine Nachricht zurück, stattdessen mehr Kommentare mit Herzen unter meinen Beiträgen, die er schon derartig kommentiert hatte. Ich schrieb erneut, dass wir einander nicht kennen würden, sein Verhalten unangemessen wäre und ich mich damit nicht wohlfühlen würde. Daraufhin geschah das unerwartetste Ding: eine 10 Sekunden Sprachnachricht. Ich wagte kaum, diese anzuhören und leider wurde mein schlechtes Gefühl beim Anhören nur schlimmer. Dass er sich durch mein Nachrichten nun unwohl fühlen würde (als wäre es meine Schuld, dass er mir gegenüber übergriffig geworden war und ich mich dagegen wehrte) und dass er doch reden könnte (was absolut strange war, denn ich hatte niemals Interesse signalisiert, Sprachnachrichten mit ihm auszutauschen und ich wollte mit ihm überhaupt nicht reden, ich verstand die krasse Annäherung nicht und erst recht nicht, warum ich nun angeprangert wurde). Meine nächste Aktion war die Meldung an IG, das Blockieren des Accounts für mich und damit automatisch das Löschen jedes Kommentars. Den Chat schmiss ich ebenso wahnsinnig erleichtert aus meinem Verlauf.

Das Schöne am Internet, selbst wenn es mal so läuft? Wenn wir einander hier zu nah treten, aus welchen Gründen auch immer, können wir uns aus dem Einflussbereich des anderen entfernen. Und damit erhalten wir auf gewisse Weise unseren Frieden. Anders gesagt, wir blockieren Menschen mit übergriffigen Interaktionen. Ob wir erst einen Verbesserungsversuch gestartet haben oder ob wir versucht haben, zu verstehen, ob ein Missverständnis vorliegt oder nicht, ist irrelevant. Wenn man für sich entscheidet, dass es bis hier hin reicht und keine weitere Interaktion gewünscht ist, ist es das Recht eines Jeden, sich selbst zu schützen. Gegenüber fremden Menschen, die im alltäglichen Leben neben dem Bildschirm keine Berührungspunkte oder Bedeutung haben, ist das schnell und unkompliziert durch Blockieren umzusetzen. Interaktion im Internet verfolgt immer eine Intention, weil eben kein persönlicher Bezug besteht und nur über die Interaktion aufgebaut werden muss. Das Erwidern der Interaktion ist freiwillig und eine persönliche Entscheidung. Nach dem Blockieren der jeweiligen Personen fühlte ich mich jedes Mal erleichtert, denn zu verhindern sind diese Interaktionen schwer und ob man will oder nicht – man fühlt sich damit nicht gut, manchmal auch benutzt oder gar übergriffig zu nah getreten. Das Blockieren gibt einem die Selbstbestimmung wieder, das Gefühl, den unterschiedlichen Interaktionen nicht komplett ausgeliefert zu sein. Der letzte Vorfall war für mich tatsächlich der extremste von allen, weil die andere Person hartnäckig war und es emotional ohne Kontext übergriffig war. Es war nicht in Ordnung und für mich ist es wichtig, darzustellen, dass ich es nicht in Ordnung finde einander so zu begegnen und ich mich weiterhin gegen jeden derartigen Kontaktversuch stellen werde, der mir persönlich kein gutes Gefühl gibt. Und das nächste Mal werde ich schneller reagieren. Und ich werde nicht mehr diskutieren.

Das ist mein Recht. Und deins!

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