Türkei: Der typische All-Inklusive-Urlaub 2023

Unser Sommer-Familien-Urlaub liegt nun hinter uns. Ich hatte die unterschiedlichsten Ideen, wie ich euch diesen Urlaub präsentieren sollte. Wie ein All-Inklusive-Urlaub funktioniert, das wisst ihr alle … aber nicht, was ein Stomaträger von Beutellosen unterscheidet (außer ihr seid selbst gebeutelt). Was haben wir zusätzlich dabei, worauf achten wir eventuell mehr und wie geht das mit dem vielen Baden?

Heimat-Flughafen
Surreal – die Erdkrümmung

FREITAG Ein Kofferverlust ist heutzutage unwahrscheinlich, ganz abschütteln kann ich diese Sorge nie. Deswegen habe ich meine Versorgung auf zwei von drei Koffer aufgeteilt und ein kleines Notfalltäschchen im Handgepäck mit geschnittenen Platten und kleinem Spray für den Flug. Zehn Platten und 50 Beutel waren es insgesamt für sieben Tage, so viel habe ich noch nie gebraucht. Aber ich gehe immer auf Nummer sicher, zu viel ist mein Sicherheitsnetz. Am Stuttgarter Flughafen falle ich zum ersten Mal bei der Sicherheitskontrolle im modernen Körperscanner seit meiner ersten Stoma-OP nicht auf. Ich bin trotzdem immer proaktiv und alle Beteiligten gingen professionell mit der Situation um. Die Sorge, rausgezogen zu werden und sich mehr anfassen zu lassen oder erklären zu müssen für etwas, was nun mal da ist, schwingt jedes Mal mit. Fakt. Schon an Tag eins schwitze ich mir einen ab in der Türkei, die Platte hält. Generell braucht der Kleber der Basisplatte die Körperwärme, um gut zu kleben. Ich hatte zu Beginn immer Angst, wegen meines vielen Schwitzen die Platten nicht am Körper halten zu können. Das ist totaler Quatsch, Schweiß hat bei mir noch nie eine Platte gelöst.

Alt und frisch

SAMSTAG Gleich morgens sind wir im Pool, gleich wieder nass. Kurz davor hatte ich den Beutel vom Zweiteiler erneuert. Auf dem Zimmer gibt es im Bad einen kleinen Mülleimer ohne Deckel, am zweiten Tag merke ich sofort, dass ich diesem zwar schnell vollkriege – er aber regelmäßig vor dem Mittagessen geleert wird. Somit ist die Größe und eventuelle Geruchsbildung kein Problem. Aus Erfahrung habe ich ein hochwertiges Duftspray eingepackt, nicht so eins, welches Schaum ausgibt und sich auf die Oberflächen legt. Ich nehme das Air Wick Spray, das kostet zwar und ist jeden Cent wert: kein komischer Schaum, ergiebig und intensiver Duft. Denn sind wir ehrlich: ja, andere Leute kacken auch, aber das fällt ins Wasser. Wir stehen da in einem Bad ohne Fenster und putzen die Platten des Zweiteilers vor’m neuen Beutel oder uns selbst beim kompletten Wechsel, ohne dass der Stuhl im Wasser verschwindet und in Vergessenheit gerät. Da ist nichts Schlimmes daran, wenn es besser duftet und die anderen das Spray auch verwenden können. Am Abend nach weiteren Stunden im Pool erneuere ich die komplette Versorgung, nicht weil ich muss, sondern, weil ich auf der Basisplatte mehrere Beutelwechsel hatte und es mit jedem Mal schwerer wird, den Beutel zu lösen (über das Problem mit dieser Versorgung habe ich schon berichtet, ich brauche die gerade einfach noch auf).

Meerblick
Palmen

SONNTAG Tatsächlich habe ich in einem solchen Urlaub noch nie so wenig gegessen und getrunken. Versteht mich nicht falsch, es ist lecker. Ein Teller voll zu jeder Mahlzeit, manchmal noch einen kleinen Nachschlag. Viel Fleisch und Gemüse. Ich bin vorsichtig mit Lebensmitteln, bei denen ich weiß, dass ich sie nicht vertrage (und lasse sie komplett weg, hier z.B. vermehrt Spinat und Linsen). Schief gehen kann immer was, heißt, irgendwas könnte mir immer Bauchschmerzen oder Durchfall bescheren, das weiß ich im Vorfeld nicht immer. Passiert leichter als bei einem Gesunden. Fakt. Im Rahmen meines besten Gewissen probiere ich trotzdem vom leckeren Essen. Ich esse wenig Süßes. Es ist mir schlicht zu süß. Lieber einen Eiskaffee mehr, Abends auch ein Bier. Viel zu warm für viel Alkohol. Also obwohl ich mich nicht überfresse, arbeitet der Darm bei so regelmässigem Essen einfach auch konstant. Bedeutet, dass ich jeden Tag mindestens 1-2 oder 3-4 mal den Beutel von der Basisplatte ablöse und einen neuen Beutel drauf klebe. Nicht, weil die total proppenvoll sind, sondern weil ich mich wohler fühle im Badeanzug, wenn der Beutel nicht bis oben hin voll ist, sondern eher frisch. Persönliche Einstellung und Vorteil einer zweiteiligen Versorgung.

Lobby
Saturnland Rummel

MONTAG Heute ein kleines Tief für alle, es ist schließlich warm wie sau und obwohl die Anlage überschaubar ist, sind es einfach viele Menschen. Das Hotel wurde uns empfohlen von einer anderen Familie, die Anlage ist gut mit interessanten Kinderpools und Rutschen. Das Wasser ist der Temperatur zu schulden einfach warm, viel Abkühlung ist da nicht. Im Wasser direkt gibt es selten Schatten. Der Strand ist direkt angeschlossen, mit Sand und Steg. Die Mitarbeiter sind alle wirklich nett. Heute also einfach nicht so ein guter Tag, passiert. Was nebenbei passiert, egal, wie der Tag ist, passiert ganz automatisch, nämlich ein Beutelwechsel morgens und ein Plattenwechsel abends. Der Wechsel der Platte war gar nicht so notwendig, von Außen betrachtet. Das Baden ist also nicht der Grund für den Wechsel nach zwei Tagen, sondern eine andere Sache: die Platte war von Innen unterlaufen, es schob sich Stuhl zwischen Platte und Haut. Davon geht die Welt allein nicht unter, mit den Jahren merkt man das früh genug durch ein leichtes Jucken der Haut. Platte wechseln und weiter geht’s. Ganz unproblematisch.

Stoma na und 😉
Bestes Kebabfleisch

DIENSTAG Zum ersten Mal verreise ich ab diesem Jahr ohne Unterlage für’s Hotelbett – war ich früher übervorsichtig, weil nachts ein Unfall mit der Versorgung passieren könnte, hat mich die Erfahrung gelehrt, dass die Wahrscheinlichkeit gegen null läuft und ich auch über Nacht dicht bin. Was mir im Hotel in der Tat fehlt, ist ein Bauchkissen. Klingt komisch, ist aber so. Daheim habe ich oft eins, in der Seitenlage schlafend lehne ich mich dagegen. Bin mir nicht sicher, ob das nur ich bin nach den Hernien und mehreren Bauch-OPs oder andere sich mit dieser abstützenden Funktion des Kissens in der Bauchregion auch wohler fühlen. Im Hotel improvisiere ich eben mit einem zusätzlichen Kissen von dort, gleichermaßen bequem ist es nicht. Auf der Liege am Pool im Schatten gebe ich meinem Bade-Shirt auch mal eine Pause und liege im Bikini zum Trocknen da, der Beutel erregt hier in meinem Fall absolut keine Aufmerksamkeit. Allen Wurst. Am Pool tagsüber immer dabei: mein Notfall-Täschchen mit Versorgung, falls ein Wechsel sofort notwendig ist. Kam nicht einmal zum Einsatz. Trotzdem versuche ich, das Täschchen nicht in direkter Sonne liegen zu lassen. Ich muss mich heute wie alle anderen Tage nur im Hotelbadezimmer um meine Versorgung kümmern. Heute ist mein Darm besonders aktiv und vor dem Einschlafen in der Nacht muss ich wegen häufigen Beutelwechsel auch die Platte von Grund auf wechseln. So Nächte gibt es regelmäßig, in denen ich nicht in den Schlaf finde, weil der Darm keine Ruhe findet.

Seafood auf den Tisch
Ich

MITTWOCH Heute ist unser Rhythmus ein bisschen daneben und so geschieht es, dass die Putzfrau nicht wie gewohnt zu unserem Zimmer kommt, während wir vormittags am Pool sind. Nachdem ich gestern zahlreiche Müllbeutel mit Stoma-Versorgung in den mini Mülleimer gequetscht habe, bleibt der übervoll und geruchssicher sind die Müllsäcke halt eben nicht. Nicht ganz so angenehm. Am gleichen Nachmittag bin ich versucht, noch ein paar große Müllbeutel (die ich eigentlich zum Aufbewahren von benutzter Wäsche dabei habe) zu benutzen, um die kleinen Müllsäcke nochmal zu verpacken. Sehr spät am Nachmittag kommt sie unerwartet doch noch und darum bin ich froh. Wir sind heute genau wie die anderen Tage Stundenlang im Pool oder im Meer und in nassen Klamotten. Die Platten bleiben am Körper haften, ich muss hier nicht regelmäßig „danach schauen“, leere Beutel wechseln, weil sie nicht halten oder bin unsicher, als müsste ich zwischendrin alles trocknen. Es ist einfach kein Problem, mit Stoma-Versorgung lange im Wasser zu sein und sich zu bewegen. Ich weiß, dass sich dieses Vorurteil hartnäckig hält, deswegen erwähne ich es so explizit: es geht!

Frisur-Versuch

DONNERSTAG Wir reisen zurück nach Hause, wir freuen uns alle. Die Hälfte der gepackten Versorgung fliegt wieder mit nach Hause, ich habe ja großzügig gepackt und mich beim Packen auf eventuelle Durchfälle eingestellt. Meine Stützbandage für den Bauch hatte ich mit, aber nie an. Zu warm dafür, aber gut getan hätte sie mir. Es tut einfach manchmal gut, vielleicht stimmt die Größe gar nicht mehr so richtig (Kortison-Gewicht). Zum Glück umsonst mitgenommen habe ich eine Reiseapotheke mit unterschiedlichen Schmerzmitteln und Mittel gegen Durchfall und Blähungen für die anderen. Das ist mein Minimum an Reiseapotheke bei jeder Reise. Auch meine Auslandskrankenversicherung bleibt unbenutzt. Am Flughafen in Antalya geht’s wieder durch die Sicherheitskontrolle, durch die alten viereckigen Dinger. Irgendwas an mir piept, für solche Fälle haben sie eine modernere Variante der Scanner dastehen und dieser piept dann nicht mehr. Kein Abtasten und keine Erklärungen, das ist wirklich eine schöne Abwechslung. Und noch schöner ist es, in Stuttgart zu landen. Die letzten Kilometer mit dem Auto sind ein Klacks. Home Sweet Home

Sticker-Rettung
Ein Hoch auf Stempel

 2023, ein Jahr zuvor, waren wir im Sommer auf Mallorca. Hier lang!

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