Facebook – Fluch und Segen

Zu diesem Thema mache ich mir schon eine Weile fortwährend Gedanken, bereits vor meinem Blog und erst recht mit meinem Blog. Wegen sehr aktuellen Erfahrungen, die ich gemachte habe, muss ich meine Gedanken aber tatsächlich mal öffentlich loswerden und meinen anderen, fast fertigen, Beitrag zurückstellen. Facebook, Instagram und generell das Internet sind aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Wir alle wissen, dass diese Errungenschaften positive Aspekte mit sich bringen. Aber warum ich tatsächlich diese Zeilen schreibe, sind die negative Aspekte, die ich nicht mehr unkommentiert lassen möchte. Ich möchte warnen und ermahnen, obwohl mir bewusst ist, dass sich der ein oder andere hier auf den Schlips getreten fühlen mag. Nicht, weil ich beleidigend werde oder unbegründet auf den Tisch haue – die, die sich hier angegriffen fühlen, haben ein Problem mit sich selbst und diese Zeilen soll die warnen, die davon Schaden nehmen würden. Jedem steht seine Meinung zu, aber diese ungefiltert oder provozierend anderen unter die Nase zu halten, eben nicht.

Ich bin seit dreizehn Jahren auf Facebook, etwa fünfzehn Jahre gibt es die Plattform nun. In dieser Zeit habe ich viel miterlebt, aber nicht alles mitgemacht und weiß, was ich einfach ignorieren sollte. Natürlich bin ich die Generation, die in ihrer Jugend langsam mit Internet aufgewachsen ist. Das Internet gehört zu meinem Alltag und da ich mir aussuchen kann, was ich davon aufsauge, ist mir auch ziemlich viel im Netz egal. Aus offenen Internetforen habe ich bisher keinen Nutzen gezogen beziehungsweise bin denen absichtlich ferngeblieben. Ich brauch und will wirklich nicht jedermanns Meinung hören. Instagram allein gehört zu meinen neuen Errungenschaften, damit bin ich wohl etwas später dran, denn mein persönliches Facebook ist nicht mit Instagram verbunden – Instagram ist nämlich eine reine lila-Element-Erweiterung und ist nicht privat an sich. Meine bisherigen Erfahrungen bei Instagram sind eher positiv, weil hier auch viele junge Menschen sind, typisch der Zielgruppe der Plattform. Jedoch ist Instagram-Gemeinschaft auch eher positiv eingestellt – jemand teilt ein Bild mit guter oder schlechter Überschrift und von den anderen kommen positive Kommentare – wenn dir ein Bild nicht zusagt, ignorierst du es zumeist doch einfach. Die CED-Community ist zumindest so. Reaktionen sollen oft positive Kritik, Anteilnahme und Verständnis darstellen und somit wirkt Instagram wohlwollender und hat bei mir einen besseren Eindruck als Facebook hinterlassen.

Nun zu Facebook: Als ich vor über zwei Jahren in drei Facebookgruppen zum Thema Stoma und CED eingetreten bin, hatte ich gerade mit einem Blog angefangen und wollte einfach mitunter wissen, was der Gemeinschaft so durch den Kopf geht. Um ehrlich zu sein, war total überfordert mit all den Menschen und ihren Kämpfen sowie Einstellungen zum Leben und der Krankheit. Nach wenigen Wochen der Gruppenzugehörigkeit sprach ich auch meinen Mann darauf an, wie sehr mich die anderen Menschen runterzogen, nicht weil ihre Geschichten so viel schlimmer waren, sondern weil ihr Umgang damit oft erschrak – die negativen Beiträge machten sehr viel mehr Eindruck auf mich als die positiven. Ich zog mich zurück aus den Gruppen und konzentrierte mich auf mich und meine positive Einstellung, mit dem Versuch, die zwei Hauptkritikpunkte so gut es geht zu ignorieren. Meine positive Einstellung ist es, die mich weiterkämpfen lässt.

1) Fahrlässigkeit beim Informationsaustausch

Ich möchte euch warnen, mit den Informationen vorsichtig zu sein, die ihr von anderen Stomaträgern zu sehen und hören bekommt. Glaubt nicht alles, ohne es nicht ein Stück weit zu hinterfragen und die Qualität sowie Glaubwürdigkeit gegenzuprüfen. Ihr habt nur euren Körper, einmal. Jeder von uns ist anders, reagiert anders und braucht andere Ansätze zur Heilung oder zum Umgang mit der Krankheit oder dem Stoma. Je mehr Menschen in einer Gruppe zusammenkommen, desto mehr Menschen äußern ihre Meinung und je mehr entwickelt sich das einfach zu einer eigenständigen Maschinerie. In diesen Gruppen geht es nicht um eine Kuchenrezept, wie ich ein Blumenbeet anlegt und es ist auch keine reine Spaßgruppe – es geht um die Gesundheit und das ist ein wichtiges, sensibles und kompliziertes Thema. Deswegen möchte ich nun ein Beispiel anbringen, bei dem ich mich mehrfach eingeschaltet habe, weil ich meinen Mund definitiv nicht halten konnte: Hernien! Darüber wird von Ärzteseiten oft nicht genug gesagt und manche haben damit keine Probleme und bei manchen klatscht eine Hernie die nächste ja fast schon ab. Es kommt auf so viele Dinge an, das kann ich jetzt gar nicht so umfassend beschreiben, ist auch nicht der richtige Moment. Wie ihr wisst, bin ich eine Herniengeschädigte und mir wurde manchmal wirklich schlecht bei dem, was ich in den Gruppen gelesen habe. Oft fragen Stoma-Neulinge nach der OP online, wie das denn ist mit dem Tragen und Belastung ist, viele Menschen reagieren auf dieses Fragen. Die Male, bei denen ich mich eingeschaltet habe, beinhalteten folgende Kommentare:

Ich habe zwei Wochen nach der OP mein Sofa im Haus Stockwerke hoch und runtergetragen und nichts ist passiert!

Ich mache mir darum gar keine Gedanken, wenn man sich nicht darauf konzentriert, passiert nichts!

Über Hernien habe ich noch nie was gehört, wenn das Risiko bestehen würde, wüsste ich das doch!

Es zieht zwar bei schweren Sachen im Bauch, aber was soll schon Schlimmes passieren!

Ich (fehlende Angabe: sehr durchtrainierte Person) mache weiterhin genauso alles wie vorher und belaste meinen Bauch!

Sollte jemand wie ich, mit einer starken Hernienveranlagung ohne tatsächliche Überbelastung, auf solche Kommentare ansprechen, würde ich mir großen Schaden zufügen, weil ich auf die falschen Leute gehört hätte. Leider sind die meisten Reaktionen auf diese Frage so unbedacht, wenige Antworten sind vorsichtig formuliert oder erzählen von Leuten wie mir. Dabei haben fast alle Träger irgendwann man mit einer Hernie zu kämpfen, so hieß es damals bei mir im Krankenhaus. Dass es eben nicht so einfach ist, dass man doch sehr wohl auf sich hören und auf sich aufpassen muss und eben nicht mehr alles können muss, geht oft unter. Noch gefährlicher und fahrlässiger wird es, wenn Fragen zu Medikamente gestellt werden. Wir sind keine Ärzte und können nur von uns sprechen – meine Erfahrung mit Medikamenten und Behandlungsstrategien ist auf keinen anderen eins zu eins zu übertragen! Mein Wunsch für die Zukunft wäre es, dass die Menschen ein bisschen mehr von sich in Kontext setzen würden und man ihre Erfahrungen besser einordnen könnte. Somit wären geteilte Erfahrungen weniger gefährlich und der Fragesteller hätte sehr viel mehr von den Reaktionen.

2) Lebensverneinende und unnötige Kommentare

Dieser Punkt ist der aktuelle Grund für meinen Beitrag, denn gestern war ich einfach nur noch geschockt. Mal wieder. Je größer die Gruppen, desto unsensibler, egoistisch und bescheuert werden manche Kommentare. Man wird beleidigend zum Beispiel, das ist überhaupt ein Unding. Jeder Vollidiot kann nun seine Meinung äußern und seine lebensverneinende Einstellung unter die Menschen bringen. Oder aber, und das gibt es in der Gemeinschaft auch, sogenannte Opfer, die gar nichts ändern wollen, sondern einfach immer nur jammern und immer anderen die Schuld geben anstatt selbstverantwortlich zu handeln. Gerade Stoma-Neulinge sind am Anfang, wie ich selbst auch, am Ende. Man zweifelt an Allem, dass das Leben nie wieder gut werden wird und dass man nie zurechtkommen wird „damit“. Ich erinnere mich selbst an meine schwere Zeit und bin aus dieser gewachsen und bin stolz auf das, was und wer ich inzwischen bin. Aber ich habe hart dafür gekämpft und daran gearbeitet. Wer glaubt, dass das einem zufliegt, liegt ganz schön daneben. Und es liegen einige daneben. Deswegen gibt es in den Gruppen leider einige Menschen, die negativ reden und damit Andere, die eine schwere Zeit durchmachen, unnötig das Leben erschweren, Angst machen und Hoffnungen zerstören. Wir haben manchmal richtig fiese Komplikationen mit einem Stoma, es ist manchmal wirklich scheiße und wir verzweifeln, aber folgende Kommentare sind nicht okay und machen mich echt wütend:

Ich hasse mein Leben seitdem ich ein Stoma habe und hasse dieses scheiß Teil!

Das Stoma ist das Schlimmste, was es überhaupt gibt auf der Welt!

Wenn ich mein Stoma für immer behalten müsste, würde ich mich umbringen!

Es geht darum, dass wir durchaus manchmal mit uns kämpfen und es nicht nur gute Zeiten gibt – aber repräsentativ sind solche Aussagen für alle Stomaträger immer gewiss nicht. Wenn du mit deinem Stoma nicht klarkommst, musst du etwas an deiner Einstellung ändern und dir andere Hilfe suchen, etwas an deiner Versorgung ändern und alles versuchen, um die Situation zu verbessern. Die Opferrolle, das braucht kein Mensch auf Dauer. Sich auskotzen und den Frust etc. loswerden, das steht uns allen zu und gerade diese Gemeinschaft sollte dich besser verstehen als die Menschen draußen. Manchmal finden sich auch zwei in der gleichen beschissenen Lage und man steigert sich rein, gehört alles dazu. ABER: Wer sagt in einer Stomagruppe bitte, dass alle, die dauerhaft ein Stoma haben, sich lieber umbringen sollten weil es nichts Schlimmer es auf der Welt gäbe? Das ist die größte Scheiße! Wie herablassend und beleidigend ist das denn? Jedes Mal, wenn das einer schreibt, möchte ich diese Person richtig heftig ohrfeigen. Man kann seine Stomazeit als üble Erfahrung erlebt haben, aber trotzdem gibt es noch sehr viel Schlimmeres wie z.B. Krieg, eine Querschnittslähmung, den Verlust seiner Eltern, … und noch mehr und nur weil du unfähig warst, aus deiner Situation heraus zu wachsen und zu kämpfen, musst du nicht andere Menschen mit zu Boden reißen. Das sind hier nur wenige Beispiele von vielen lebensverneinenden Kommentaren, ich will gar nicht noch mehr Worte darüber verlieren. Es ist eine Schande! Bitte, wenn ihr gerade eine schwere Zeit durchmacht oder noch neu als Stomaträger seid, blendet diese Nein-Sager, Kotzbrocken und negativen Vollidioten aus. Sie wollen nicht helfen oder aufbauen, sondern nur die Aufmerksamkeit auf sich lenken und sich in der Opferrolle suhlen.

Das war ziemlich viel Kritik zur Kommunikation und Einstellung von ein paar Menschen in den Gruppen. Da ich aber ein positiver Mensch bin, möchte ich auch diesen negativ geladenen Beitrag hoffnungsvoll zu Ende bringen. Wenn ihr in solchen Gruppen seid oder Teil davon sein möchtet, konzentriert euch auf die positiven Menschen darin. Dass wir beschissene Zeiten haben und wir nicht immer gutgelaunt sind, muss du dir nicht noch mal anhören – das weißt du bereits! Es gibt viele gute Menschen in der Gruppe, die, genau wie du, das Beste aus der Situation machen wollten und genauso Ziele und Wünsche haben wie du. Sie geben viel Feedback, drücken die Daumen und hoffen mit dir, wenn du moralische Unterstützung brauchst. Sie haben hilfreiche Tipps für Dinge auf Lager, mit denen du dich noch nicht gut auskennst oder die du zum ersten Mal machst. Diese Menschen zeigen dir, dass du nicht allein bist mit deiner Situation, mit deinen Ängsten oder mit deinen Erfolgserlebnissen. Im Idealfall fiebert die Gruppe mit dir mit, wenn du aufgeregt bist, feiert mit dir, wenn du glücklich bist und stützt dich, wenn du aus eigener Kraft nicht gerade stehen kannst. Also seid ein wenig vorsichtig bei dem, was ihr lest und versucht, die negativen Menschen links liegen. Es ist wie im richtigen Leben außerhalb von Facebook – suche dir aus, auf wen du hörst und mit wem du dich umgibst!

Update am 06.08.2021

Damals warnte bzw. ermahnte ich aus der Sicht eines Mitglieds. Inzwischen – und ich gebe zu, dass das nie geplant oder gewollt war – bin ich administrativ in einer solchen Gruppe tätig. Gerd zu Liebe, wenn ihr ihn kanntet, wisst ihr Bescheid. Ich guck die Anfragen für neue Mitglieder durch, das sind jeden Tag gern ein bis zwei Hände voll. Alle mit ihrer Geschichte, Fragen und Wünschen. Die muss man in einer Gruppe unter einen Hut kriegen und ich sag euch, das ist ein krasser Job. Dafür sind noch andere Admins zuständig, ich auch. Anfragen, Verhalten und Kommentare von Mitgliedern gilt es den Gruppenregeln nach zu organisieren. Gar nicht einfach und niemals für jeden der tausenden Mitglieder zugleich befriedigend.

Letztlich sind uns Sachen wichtig, die ich vor Jahren schon als Mitglied wichtig fand – das Problem mit der Fahrlässigkeit bzw. sogar gefährlichen Informationen und unnötiger Mist samt zwischenmenschlichen Chaos. Es ist manchmal erschreckend, wie egal den Menschen die Schäden sind, die sie online anrichten. Oder aber wie man Menschen in Notlagen ausnutzen kann. Einige Sachen können wir verhindern, manche müssen wir entschärfen. Aber es gibt auch viel Gutes, was überhaupt der Grund ist, dass ich nun auch aus dieser Perspektive berichten kann. Ich kann meinen alten Beitrag bestätigen, denn auch jetzt – im Hintergrund der Gruppe arbeitend – kann ich endlich aktiv gegen meine Warnung vorgehen. Die Gruppe mit den anderen etwas sicherer und informativer machen. Auch wenn es gern anstrengend ist und einem stellenweise zu nah geht – ich bin froh, aktiv sein zu können.

Kommentar hinterlassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: