Dünndarm-RU vs. Dickdarm-RU

ErfahrungEs gibt viele Faktoren, die Einfluss darauf haben, wie wir mit einem Stoma zurechtkommen. Warum haben wir es? Durften wir uns darauf vorbereiten oder kam es ohne Vorwarnung? Wie alt sind wir und in welcher Lebenssituation befinden wir uns? Ist es ein Stoma auf Zeit oder für immer? Wie gehen unsere Mitmenschen mit uns um? Wie gut ist das Stoma angelegt? Dieser Eintrag kann unmöglich alle Faktoren genügend beschreiben, es ist wie fast immer eine sehr persönliche Ansicht. Dass ich beide Arten von Darmstomata kennengelernt habe und beim Wechsel eine Umgewöhnungsphase von Ileo- auf Kolostoma durchlebte, macht mich neugierig auf eine Gegenüberstellung. Wie C. A. in der Facebookgruppe der Beuteltiere schreibt, habe sie kaum Einschränkungen mit beiden erlebt– und das kann ich für mich insoweit übernehmen, dass ich mit beiden gleichermaßen zurechtkam. Somit sind die hier beschriebenen Unterschiede Feinheiten auf hohem Niveau und keine Verurteilung oder Bewertung einer Stoma-Art.

Kolostoma = Dickdarmstoma

Ileostoma = Dünndarmstoma

Heute ist mein Eintrag mal ein bisschen anders, denn immer wieder sind Sätze unterstrichen. Diese kommen inhaltlich nicht von mir, sondern von euch. Ich möchte mich dafür an dieser Stelle bedanken – für die Hilfe in Form von einer Abstimmung und Kommentaren in der Beuteltiergruppe auf Facebook. Von letztem Freitag auf Sonntag haben insgesamt 321 Menschen abgestimmt. 51,7 % davon hatten nur Erfahrungen mit dem Ileostoma gesammelt, 30,2 % nur Erfahrungen mit Kolostoma gesammelt und schließlich waren es 18,1 %, die wie ich beide Stomata getragen hatten. Ich denke, dass dieses Ergebnis nicht auf alle Stomaträger in Deutschland oder weltweit übernommen werden kann, aber es gibt einem ein Gefühl. Beide Stomata zu erleben ist eher seltener und ein Ileostoma ist viel häufiger als ein Kolostoma. Das macht auch Sinn, da z.B. Darmkrebs gern den ganzen Dickdarm unpässlich macht, ein Ileostoma öfter als temporäre Heilungsunterstützung angelegt wird und Colitis-Patienten als Behandlungsart die Entfernung des ganzen Dickdarms in Betracht ziehen. Beide Stomata getragen zu haben bedeutet also auch irgendwie, dass der Weg oder das Ziel von Vorneherein nicht ganz klar waren, man vielleicht Zwischendrin die Strategie anpassen musste oder sich der Patient und seine Gesundheit stark verändert hat. Für mich persönlich treffen diese drei Aspekte irgendwie zu – hätte ich vorab gesehen und gewusst, was ich nun weiß, hätte ich mir gleich ein Kolostoma mit Netzeinlagen zur Hernienprophylaxe operieren lassen. Eine ebenso ungerade Stomakarriere legte auch K. F. hin, denn sie trug erst eine Ileo, dann ein Kolo und nun wieder ein Ileo.

Vor der Beschreibung meiner Erfahrungen noch ein paar zusammenfassende Worte zu meinen Faktoren. Seit dreieinhalb Jahren lebe ich mit Beutel am Bauch. Inzwischen habe ich mein Dickdarm-Ru länger als meine Dünndarm-Rus zusammen, die Ansprache: Ru, der Dritte seines Namens, ist also durchaus passend (#GoT). Ich habe Morbus Crohn und habe diesen weiterhin, meine Stomakarriere kam aber ins Rollen durch meine Schließmuskelproblematik. Ich musste ein Ileostoma bekommen, damit dieses Problem sowie meine Fistel behoben werden konnten und ich danach wieder operativ von meinem Stoma befreit werden sollte. Es waren temporäre, doppelläufige und schön prominente Stomata. Aber nach einem Jahr merkte ich, dass es sich gut leben ließ und ich nie wieder normal auf’s Klo gehen wollte, zudem wollte ich mir nicht die Qual dieser Operationen und die Fehlschläge antun, von denen ich inzwischen mitbekommen hatte. Ich entschied mich proaktiv für ein endständiges Kolostoma auf Lebenszeit, welches ebenfalls prominent angelegt wurde. Nähere Ausführungen zu dieser Entscheidung habe ich bereits in einem anderen Beitrag behandelt. Trotz Komplikationen mit meinen vielen Hernien sah und sehe ich das Stoma immer noch als bessere Situation im Gegensatz zur Inkontinenz sowie all den täglichen Schmerzen, Qualen und dem Ekel davor. Es ist nicht immer leicht – aber besser.

Was sind denn nun diese Feinheiten, die ich unterschiedlich wahrgenommen haben?

Mit meinen Ileos verbrauchte ich insgesamt mehr Material als mit meinem Kolo. Die Art der Versorgung, also bis hier her Hollister-Zweiteiler, benutzte ich bei beiden, da Einteiler für mich als Darmkranker nicht in Frage kamen. Ich komme mit meinem Kolo mit 5-8 Platten im Monat aus und habe fast nie Unfälle, also etwa eine Handvoll im Jahr. Zwar hatte ich mit den Ileos weniger Beutel verbraucht, weil sie ja wiederverschließbar waren, aber eindeutig mehr Platten. Mit meinem Ileo hatte ich gerne mehrfach im Monate Unfälle oder kurzbevorstehende Vorfälle, die einen Wechsel erzwangen. M. F. beschreibt diesen Zustand auch, die Versorgung bei ihrem Ileo war oft unterlaufen. Interessanterweise benutze sie, um noch mehr Kontrolle über die Darmtätigkeit ihres Kolos zu haben, die Irrigation. Diese benutze ich tatsächlich nicht, weil ich es nicht für nötig halte und ich meinen Darm nicht zusätzlich stressen möchte. Das normale Wechseln der Platten ist mit einem Kolo super entspannt, außer natürlich es pfeift gerade etwas durch. Da blubbert nichts, da sprudelt nichts, es ist eine saubere Sache. Beim Ileo hieß es immer schnell machen, eh da wieder was drüber läuft und man doch wieder von vorne anfangen muss. Der Geruch vom Kolo ist der normale Klogeruch eines normal Verdauendem. Ich empfand den Geruch bei den Ileos weniger schlimm, jedoch hat mich mein Mann mal darauf aufmerksam gemacht, dass das wahrscheinlich nur eine Einbildung war. Ich hatte tatsächlich eine Eingewöhnungszeit benötigt, um mich von wiederverschießbaren Beuteln auf geschlossene einzulassen. Zu Beginn fand ich es blöd, es nicht ausstreifen zu können und immer den kompletten Beutel zu wechseln. Nach kurzer Zeit jedoch wurde mir bewusst, dass das Endergebnis nicht mehr so flüssig und leicht formbar war… es aus dem Beutel rauszuquetschen wäre kompletter Quatsch. Anzumerken wäre noch, dass die Filter bei mir mit dem Kolo schneller aufgeben und ich eher Geruch wahrnehme. Nur eine persönliche Empfindung. Ich trage nun einfach mehr Beutel mit mir herum, falls Ru auf Hochtouren läuft und ich unterwegs oder auf Arbeit bin. Was raus kommt, ist irgendwann ja auch mal rein gekommen in den Körper. Jeder muss auf’s Klo.

Mit meinem Ileo habe ich mehr darauf geachtet, was ich lieber lassen sollte, z.B. sehr faseriges Zeug, dass ich besser kauen sollte und dass ich definitiv mehr Flüssigkeit zu mir genommen habe. Durch ein Ileo war mein Wasserhaushalt bedroht, beim Kolo ist das nun nicht mehr so. Leider ist meine Wasser-Trink-Disziplin nicht mehr so gut erhalten und ich kann wieder sehr viel mehr Dinge essen, weil ich die Angst vor Blockaden nicht mehr habe. Die Nahrung wird sehr viel mehr verarbeitet und von viel mehr Flüssigkeit befreit, da sie länger im Körper verweilt. Dieses Prinzip ist auch für die Damen unter uns wichtig, denn war ich vor meinen Ileos auf der Antibaby-Pille, stelle ich meine Verhütung auf Anraten der Ärzte um – auf ein Hormonstäbchen, das war meine Wahl. Das ist natürlich jedem selbst überlassen, aber ich habe mich nicht mehr sicher gefühlt mit der Pille und den Ileos. Schließlich habe ich gesehen, wie schnell ich mein Essen wiedergesehen habe. Hatte ich mit dem Ileo ja konstant mit der Verdauung zu tun, merke ich nun mit dem Kolo wieder sehr viel besser, wenn es mir gerade besser oder schlechter geht. Wenn es mir wirklich gut geht, habe ich über einen Tag komplette Ruhe, als hätte ich nicht mal den Crohn. Das sind wundervolle Tage, die ich Gott sei Dank gerade oft genießen kann. Ich merke jedoch auch sehr schnell, wenn ich etwas Abführendes zu mir genommen habe – Radler zum Beispiel pfeift einmal durch. Bei den Ileos waren solche Aufmerksamkeiten viel schlechter möglich. Das ständige Verdauen hatte noch einen anderen negativen Effekt, nämlich nachts. Vor meinen Ileos liebte ich es, auf dem Bauch zu schlafen. Mit einem ständig blubbernden Ileo ist das nachts über Stunden aber eine echt dumme Idee. Auch A. J. hatte wie viele andere dieses Ileo-Problem, aber eben extrem. Mit 8 Liter Fördermenge in 24 Stunden bist du einfach wirklich beschäftigt und schlafen funktioniert nur mit einem riesen Beutel. Mit meinem Kolo, das nachts ohne Irrigieren fast immer ruhig ist, ist ein Schläfchen auf dem Bauch kein Problem mehr. Mit dieser Erfahrung bin ich ebenso nicht allein, denn K.M. kann nun endlich mal durchschlafen. Eine Kleinigkeit, die viel bewirkt. Inzwischen bin ich aus Gewohnheit in den meisten Nächten ein Seitenschläfer geworden, mit meinem Bauchkissen oder ohne.

Wenn ich dann also nicht gerade schlafe, arbeite ich oder unternehme etwas. Durch die verringerte Aktivität des Stomas sind viele Dinge entspannter möglich. Ich hatte über diesen Unterschied vor meiner proaktiven Entscheidung für dieses Stoma gehört und sehe diesen Vorteil als sehr entscheidend an. Andere, wie C. K. überlegen da einfach auch – die hohe Fördermenge des Ileos ist manchmal nicht zu verachten, besonders, wenn man davor schon mal ein Kolostoma hatte. Ehrlich gesagt mache ich ziemlich viele Dinge, wie jeder gesunde Mensch auch … Ich gehe ins Kino oder ins Musical, ich gehe Schwimmen oder in die Sauna, ich gehe auf Reisen in unterschiedliche Länder und gehe Wandern und Fahrradfahren. Ich unternehme Unterschiedlichstes mit Freunden und Familie, aber was alle nicht so realisieren: Ich weiß fast immer sehr genau, wo ich das nächste Klo finde. E.S. sagt auch, dass es mit Kolostoma einfacher ist, weil man weniger zum Klo rennen muss. Ich müsste nicht ständig wissen, wo das nächste Klo ist, weil ich nicht mehr jedes Klo mitnehmen muss. Etwas was E.R. noch gesagt hat, und was ich schon fast vergessen hatte, war, dass bei dem doppelläufigen Ileo oft Teile des Ausgeschiedenen wieder zurück in den Darm nach unten gedrückt wurden, somit musste man trotz Beutel das Klo benutzen. (Der Darm wird nur teilweise aufgeschnitten, der abführende Schenkel ist also immer auch noch da) Einen interessanten Vergleich kann ich dazu auch noch anbringen: Mit den Ileos habe ich damals die Wasserrechnung wegen der Klospülungen erhöht, weil zum Spülen einfach etwas Zeit und Wasser mehr benötigt wurden. Mit dem Kolo haben wir nun eine sehr deutlich gesunkene Wasserrechnung, da ich das Klo nur noch zum Pipimachen brauche – dahingegen ist aber nun unsere Restmülltonne teurer geworden. Denn nun landet alles dort drin. Ja, wir produzieren vermehrt Müll und ich wüsste keinen Weg drum herum. Preislich macht es jedoch nicht wirklich einen Unterschied, was du hast. Dass jeder Erfahrung für sich selbst sammeln muss und sich diese auch von der Mehrheit unterscheiden können, zeigt H. P. mit ihrem Kommentar. Denn bei Ihr hatte die Anlage der Stomata und weitere Umstände dazu geführt, dass für sie das Kolostoma eine viel schlechtere Erfahrung darstellte. (Zu viele Variablen können Erfahrungen beeinflussen)

Ich schätze die Erfahrungen, die ich in den letzten dreieinhalb Jahren machen konnte. Wenn ich mich auf meine Gefühlswelt besinnen sollte, hatten meine Dünndarm-Rus mich etwas mehr gestresst und zu schnellerer Aktion gezwungen. Mein Dickdarm-Ru gibt mir nun noch mehr Ruhe, noch mehr Selbstbestimmung und Freiheit. Das ist etwas, was auch mein Mann, der als Einziger wirklich sehr viel von all dem live erlebt, in einer Entwicklung an mir wahrgenommen hat, der die Entspanntheit mit mir teilt und sieht, dass ich weniger Zeitaufwand habe. Ich bin glücklich, dass ich meinen Dickdarm noch nutzen kann und hoffe, dass es noch viele Jahrzehnte so bleibt. Man weiß aber nicht, was noch passiert, möglich und vielleicht sogar wahrscheinlich, dass ich später mal auf meinen Dickdarm verzichten muss. Für mich ist es, wie für viele von euch, mit dem Kolostoma leichter – wenn es aber später ohne Dickdarm gehen muss, weiß ich, dass es geht. Und ich weiß, dass es gut geht. Das macht mich sehr viel sicherer und selbstbewusster, als ich gedacht hätte. Egal, was noch kommt, es wird gut gehen.

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