Vor kurzer Zeit erhielt ich Post. Schöne Post. Meine liebe Freundin N., die ich nun 20 Jahre kenne und mit der ich schon immer die Liebe für Sprüche, Zitate und Weisheiten teilte, schickte mir ein Buch. Ein Buch mit einer Seite für jeden Tag. Mit jeder neuen Seite bekommt man einen anderen Denkanstoß. Manche Tage sind sehr einfach, sehr klar für mich persönlich und auch selbstverständlich. An anderen Tagen muss ich die Seite mehrfach lesen und habe es doch noch nicht wirklich verarbeitet, geschweige denn eine wirkliche Meinung dazu entwickelt. Es ist ein sehr passendes Geschenk, nicht nur für mich, sondern auch für den Blog, weil ich dadurch manchmal das richtige Ventil für einen Gedanken finde.
10. Juni 2019
Wer wirst du sein? Das klingt nach einer wahnsinnig komplizierten Frage, dabei ist sie hier sehr simpel gemeint. Du und ich, wir leben nicht allein in einer Blase vor uns hin, sondern immer in Kontakt und in Beziehungen mit anderen Menschen. Mal viele, mal wenige – aber man hat sich gegenüber stets andere Leben. Die anders sind, vielleicht schlechter oder besser, aber immer anders. Der Mensch, so habe ich das Gefühl, vergleicht immer. So, so scheint es mir, evaluiert man sein eigenes Leben und das der anderen, misst den Erfolg. Selbst, wenn dieser anders definiert wird. Schon früh, wenn wir noch sehr klein sind, werden wir verglichen und es wird, je älter wir werden, nur noch schlimmer. In der Schule, in der Ausbildung, im richtigen Job, in Beziehungen, am Kontostand, am Aussehen, … mein Gott, das nimmt überhaupt kein Ende. Ob man es will oder nicht, alles wird letzten Endes miteinander verglichen. Wenn auch nicht offenkundig, sei dir sicher, die Menschen vergleichen in Gedanken, in der Stille und du bekommst das Urteil nicht mal mit. Es wird ständig geurteilt und sehr oft geschieht das mal schnell unbewusst. Diesen Fakt sollte man einfach akzeptieren, denn nur so lässt sich an seiner eigenen Denkweise etwas ändern. Ich beurteile viel öfter, als es mir wirklich aktiv bewusst ist und ich versuche, daran zu arbeiten. Am kollektiven Urteilen jedoch lässt sich nicht viel machen. Man wird verglichen, auch wenn man es nicht will. Besonders gern, wenn man aus der Menge heraussticht. Nun aber kommt der springende Punkt und als ich die Seite zum 10. Juni las, war ich beruhigt zu merken, dass es eine leichte Seite für mich war.
Mir andere anzusehen ist eher weniger mit Neid verbunden. Natürlich bin ich nicht frei davon, denn manchmal kann ich entweder nicht warten, bis ich etwas auch erreicht habe oder ich bin zu unsicher, ob ich es jemals schaffen werde. Oder aber ich bin mir sicher, dass ich es nicht schaffen werde und dass ich wohl vielleicht etwas Grund zum Neid habe. Meistens aber sehe ich etwas bei jemandem – egal ob es eine Sache oder ein Erfolg ist, die sich in meinem Leben auch irgendwann mal manifestieren soll – und denke: Das will ich auch! Wenn diese Person das schafft, dann schaffe ich das auch, irgendwann und irgendwie. Das muss doch möglich sein. Ich wäre ungern die Person, die dann sofort denkt, dass mir dadurch eine Chance genommen wurde oder dass mir dadurch gezeigt würde, dass ich es gewiss nicht schaffe. Diese Denkweise ist nicht schlau und hat selbstzerstörerische Tendenzen. Man gewöhnt sich daran, andere Menschen verantwortlich zu machen für seinen Misserfolg im Leben und begibt sich so dauerhaft in die Opferrolle, in der noch nie jemand vorangekommen ist. Warum würde ich es aktiv wählen, in den meisten Fällen und ohne darüber nachzudenken, eine Opferrolle einzunehmen, wenn ich doch im Gegensatz dazu dem anderen einen Erfolg eingestehen könnte und mir proaktiv überlegen könnte, was mich meinen Erfolgen näherbringt? Vielleicht ist das sogar irgendwie menschlich, zu denken, dass das Gras auf der anderen Seite des Zaunes grüner aussieht. Neidisch zu sein ist bekanntlich die aufrichtigste Form der Anerkennung, aber in ungesunden Ausmaßen ist es wie ein Geschwür, welches einen von innen nach außen zerfrisst. Nicht ohne Grund ist es eine Todsünde, ein Abgrund der Menschlichkeit, wenn man sich darin suhlt und sich dem völlig hingibt. Man kann darüber die Kontrolle verlieren. Deswegen gilt dieser Eintrag hier dem Bewusstmachen, dass wir uns Neid nicht angewöhnen sollten. Fast jeder von uns kann sich da an die eigene Nase fassen, ich auch. Du und die meisten Menschen, die du kennst. Wir sollten uns angewöhnen, in uns selbst alle Möglichkeiten zu sehen. Nicht, dass alles einfach zu kriegen ist und uns zufliegt, natürlich nicht. Wir werden oft hinfallen und aufstehen müssen. Wir werden hart arbeiten müssen für das, was wir wollen. Aber wir sollten den Neid, den wir beim Erfolg anderer verspüren, nicht als k.o.-Kriterium für uns selbst sehen, sondern als Anreiz, uns selbst zu überwinden und zu einer besseren Version überzugehen. Und wenn wir gerade nicht fähig sind, das zu tun – dem Neid zu entsagen oder ihm aber etwas Positives abzugewinnen – dann sollten wir uns selbst zuliebe wenigstens versuchen, uns durch den Neid so wenig wie möglich selbst zu schaden.
Neid ist für jeden relevant, besonders für jemanden, der krank ist. Denn hier spielt, besonders zu schlechten Zeiten, der Neid eine große Rolle. Wer wünscht sich nicht, sich gesund zu fühlen oder auch wirklich gesund zu sein? Jeder! Wir büßen manchmal so viel ein, müssen viel zurückstecken und mit weniger zufrieden sein – während die Anderen einfach weiterleben. Deswegen waren diese Zeilen für mich jetzt wichtig. Auch wenn wir neidisch sind, dass es anderen gesundheitlich gerade besser geht oder andere nicht so sehr zu kämpfen haben, gilt hier: Wir müssen an uns selbst arbeiten und unsere beste Version erschaffen, mit allen Mitteln, auch wenn es schwer wird. Mehr als die beste Version von uns selbst geht nicht. Ohne sich mit der Gesundheit anderer zu vergleichen, weil wir alle unterschiedlich sind. Und wenn wir neidisch auf jemanden sind, dem es besser geht: Finde heraus, was diese Person anders macht und überlege für dich, was du davon mal ausprobieren willst. Überlege, was du dich traust zu tun und wo es Raum zur Verbesserung gibt. Es mag nicht alles bei dir funktionieren oder gar positive Veränderung bringen – einen Versuch jedoch ist es wert! Wer wirst du sein?