Chronisch krank zu sein hat Einfluss auf alle Lebensbereiche. Ich schreibe nicht nur über die Krankheit, sondern über alle Bereiche, die davon beeinflusst werden. Erstens, um Anderen meine Geschichte zu erzählen, wie sie ist und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein sind. Zweitens, um den Unbetroffenen Einblicke zu ermöglichen und damit zu sensibilisieren.
Egal, ob Tabu oder nicht.

Erfüllter Kinderwunsch – so ging es mir. So ging es uns. Nicht sofort. Aber sicher.
In diesem Gebäude der Frauenklinik, einem Teil der Universitätsklinik Tübingen, wurde vor zweieinhalb Jahren unser Wunder geboren. Wer Kinder hat, weiß, dass sie einen in den Wahnsinn treiben können, aber sie zugleich das größte Geschenk sind. Ich war mir lange nicht sicher, ob ich überhaupt Kinder wollte. Ich bereue meine pro Kind Entscheidung nicht. Aber ich bin etwas froh, dass die Natur mir trotz Veranlagung nur ein Wunder geschenkt hat und dieses nicht im Doppelpack kam. Ich wäre mehr als einem Kind nicht gerecht geworden und mir das einzugestehen ist befreiend und ein sehr gutes Gefühl. Ebenso, sich selbst und mit dem Partner sicher zu sein, dass der Kinderwunsch erfüllt ist. Eine Entscheidung, die jeder Einzelne für sich und jede Partnerschaft für sich trifft. Ohne jede Bewertung! Egal, ob kinderlos, mit einem, zwei, drei etc. Ohne jede Erklärung!
Erfüllter Kinderwunsch ist das Eine. Zu wissen, dass keine Schwangerschaft (mehr) gewünscht ist. Verhütung ist dann das Andere. Darüber habe ich bereits berichtet, hier. Zusammenfassung: Pille nein. Spirale nicht gewollt. Stäbchen schlecht vertragen. Pflaster allergisch. Nach der Geburt eine Pause von jeglicher hormoneller Verhütung, da mein Körper heftig auf all die Hormone reagiert hatte und ich ihm die Zeit geben wollte, sich selbst zu regulieren. Das hat ihm gut getan und mir auch. In zwei Punkten war ich danach 100 % sicher: Erstens, wollte ich definitiv nicht mehr schwanger werden. Zweitens, wollte ich definitiv keine Hormone mehr unnötig in mich hinein pumpen.
Ich entschied mich gegen jegliche temporäre Verhütung, auch gegen die, die ich nicht probiert hatte. Ich hatte genug probiert. Ich entschied mich für eine Sterilisation.
Mein Körper. Mein Leben.
In obig erwähnter Frauenklinik ging ich 2021 zur Beratung, denn obwohl ich mir meiner Entscheidung absolut sicher war, musste ein Chirurg diese Realität werden lassen. Es ging mir noch nicht mal um die Kosten, denn ob ich nun Jahrelang weiter immer wieder für Hormone zahlte oder einmal für die Sterilisation (etwa 900 Euro), machte keinen Unterschied. Leider war die Reaktion des empfohlenen Chirurgen nicht das, was ich gehofft hatte. Meine Gründe schienen fast unwichtig und ich kam mir nicht wahrgenommen vor. Stattdessen wurde mir Unverständnis entgegen gebracht, warum ich mich sterilisieren lassen wollte und dies nicht meinem Mann übergab. Außerdem wurde der Eingriff mit meiner Geschichte als riskant beschrieben. Gemacht hätten sie es wohl trotzdem.
Etwa zur gleichen Zeit stand eine Darm-OP im Raum. Natürlich war ich hierzu auch in Tübingen vorstellig, unsere Einstellungen passten jedoch nicht zusammen. Deswegen ging ich in Ravensburg auf die Suche nach einem bekannten Chirurgen, der mich wenige Monate später tatsächlich operierte. Mit Bauchschnitt. Auf meine Frage, ob eine Zusammenarbeit mit den Gynäkologen zur Sterilisation möglich wäre, wurde sofort zustimmend reagiert. Bis zuletzt konnte ich jedoch gar nicht glauben, dass es „so einfach“ passieren sollte. Ich glaubte erst daran, als ich einen Tag vor meiner Darm-OP in der Klinik zum Gespräch bei den Gynäkologen geladen war. Ich war nervös, ob man nicht doch noch einen Veto einlegen würde und damit die Sterilisation in letzter Minute streichen würde. Aber ich wurde gehört, ich wurde untersucht sowie befragt und mit ziemlich hässlichen Fragen konfrontiert. Besonders direkt die Frage nach dem Was-wäre-wenn-ihre-kleine-Tochter-morgen-stirbt-Szenario. Klingt gemein, ist aber eine sehr berechtigte Frage, wenn der Eingriff nicht einfach rückgängig gemacht werden kann. Ich persönlich hatte viele Gründe, viele unterschiedliche Gründe. Sie waren begründet und zu Ende gedacht. Die Meisten waren gesundheitlicher Natur. Man verstand meinen Wunsch, wir sprachen lange und offen. Ein gutes Gespräch.
Nun gibt es unterschiedliche Wege, eine Frau zu sterilisieren. Alles zu entfernen war bei mir unnötig, die Eierstöcke an sich für meinen Körper aber sogar wichtig. Zur Wahl standen mehrere Arten, die Eileiter unpassierbar für das Ei zu machen und ich fragte, welches die sicherste Sterilisation darstellt (die komplette Entfernung der Leiter). Ich fragte, ob sich dies im Nachhinein prüfen ließ (sieht man im Ultraschall nicht, müsste man durch Gewebeproben direkt nach der OP bestätigen lassen). Wer mich kennt, ahnt es jetzt schon: die Leiter sind raus und durch die Gewebeprobe steht nun im Arztbrief, dass Eileiter links und Eileiter rechts nicht mehr in meinem Körper befindlich sind. Es war in wenigen Minuten erledigt und es gab keine Komplikationen. Mein Körper denkt nun, er könne noch schwanger werden – die Menstruation läuft normal ab – aber das Ei findet nie den Weg oder je eine Samenzelle.

Ein Wunsch, ein Wunder, hat mein Körper ermöglicht. Und das war gut so. Nun ist dies nie wieder möglich. Und das ist gut so.