Endometriose Teil 1

Joa, fuck.

Ein kurzer Rückblick, um euch abzuholen: Im August letzten Jahres begann die Kette von körperlichen Baustellen, die bis heute nicht abreißen will. Ich quälte mich viele Monate wegen meinem Pyoderma Gangraenosum und in den Griff zubekommen war es nur mit ordentlich Kortison. Das und eine sehr depressive Mentalität führte zu einem Plus von 20 Kilo auf der Waage. Shit happens. Sogar so schnell, dass sich mehr Dehnungsstreifen entwickelt habe als zur Schwangerschaft. Weil ich von einem Problem ins nächste stolpere und angefressen bin, schaffe ich es seit dem Absetzen des Kortison im April nicht, Gewicht zu reduzieren. Es frustet mich ungemein, jeden Tag. Dank dem Pyoderma nehme ich wieder das Immunsuppressiva, dass ich wegen meines Darms genommen hatte – obwohl es jetzt mein Darm gar nicht braucht. Aber due Haut. Ab April kämpfte ich also mit den Entzugserscheinungen vom Kortison, Corona und Post-Covid, einer seither andauernden Entzündung im Zeh, die jeden Schritt begleitet sowie einer Wochenlang anhaltenden Gliederschmerzenepisode aus der Hölle, die mich schon morgens zum Heulen gebracht hat. Nicht zu vergessen, ich bin berufstätig, Mutter und habe normale Probleme wie alle anderen auch. Mein Akku lädt nicht mehr voll auf, der Airbag des Lebens pustet sich nicht mehr genügt auf, um all das abzufedern. Es reicht einfach langsam mal. Ich möchte durchatmen können. Ist das das berühmte Ende vom Lied? Natürlich nicht…

…nach all dem kommt noch was oben drauf. Natürlich. Weil ich mal wieder gestreckt habe. Anfang August hatte ich zum ersten Mal schreckliche Schmerzen im Unterleib, genau mit Beginn meiner Periode und leider darüber hinaus. Es war wie Brennen und zugleich wie Nadeln in meinem Körper, die mich stachen. Es tat höllisch weh und ich hoffte, dass es einmalig war und dass es überhaupt nicht mit der Periode zusammen hing und Zufall war. Über 20 Jahre hatte ich niemals Probleme, meine Periode machte mir körperlich keine Beschwerden und ich konnte alles währenddessen machen. Ein bisschen Zwicken war alles. Der nächste Zyklus kam und ging leider erneut mit diesen schrecklichen Schmerzen einher. Ich meine, ich konnte mich nicht mal mehr richtig aufrichten. Aufstehen Mist. Laufen Mist. Lange sitzen Mist. Reibung der Kleidung auf der Haut und das Drücken einer Naht auf dem Bereich Mist. Irgendwo damit anecken Mist. Liegen und nichts tun, auf einmal stechender Schmerz Mist. Die Schmerzen strahlen in den ganzen Unterleib. Aber nicht nur das – Übelkeit, Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten. Mindestens ein Drittel des Monats, völlig für die Tonne. Super gereizt wegen den Schmerzen, nicht mobil und fähig, den Alltag zu bewerkstelligen. Nach zwei Zyklen ging ich zum Frauenarzt. Weil ich mir sicher war, dass dies der richtige Ansprechpartner wäre. Das waren keine Darmprobleme und keine Schmerzen von alten OP-Narben, die ich kannte. Es war neu und nicht ok. Nicht zum ersten Mal in meinem Leben wurde ich aber enttäuscht, wieder einmal wurde ich als Hilfesuchende nicht ernstgenommen. Aber dieses Mal lasse ich mich nicht abwimmeln, lasse mich nicht beeindrucken, dass sich ein Arzt nicht kümmert. Aber von Vorne:

Ich berichtete von den exakten Vorkommnisse, meine komplette Vorgeschichte war bekannt. Die Reaktion war für mich nicht akzeptabel: Sie hätte mich erst kürzlich untersucht, da war nichts. Mit den Schmerzen müsste ich jetzt leben. Vielleicht einfach die Pille nehmen, das könnte helfen (dabei bin ich sterilisiert, damit ich gerade keine unnötigen Hormone in den Körper pumpen muss) oder einfach was gegen die schlechten Gefühle, das würde auch den Druck rausnehmen. Ich entschied mich für die Tabletten gegen depressive Stimmungen und Schmerzmittel, weil ich schlichtweg hilflos war. An diesem Tag habe ich zwei Fehler gemacht und wieder ein paar Sachen gelernt. Erstens, ist das keine richtige Reaktion eines Facharztes auf ein Problem und ich habe inzwischen bei einem anderen Frauenarzt einen Termin. Ich werde zu ihr nicht mehr gehen. Zweitens war meine Entscheidung, wahllos einer dauerhaften Hormonbehandlung zuzustimmen richtig, die anderen Tabletten jedoch waren dumm. Die ersten Tage waren so übel mit all den Nebenwirkungen, die Schmerzmittel taten mir nicht so gut wie erhofft und ich war noch weniger fähig, am Alltag teilzunehmen. Übelkeit und Schwindel banden mich fast nur noch ans Bett, ich versucht von Daheim im Dunkeln zu arbeiten. Und dann traff es mich: Das konnte nicht richtig sein. Ja, ich war mental angeschlagen, wer wäre das nicht, wenn es mein Ende nimmt mit den Baustellen und allen Vorkommnissen. Aber da war was verkehrt und ich bildete mir das nicht ein. Ich warf die Tabletten weg und konnte nach ein paar Tagen wieder klarer denken.

Ich ging zu meinem Gastro-Alles-Hausarzt, weil ich wusste, er würde wenigstens versuchen, eine Lösung zu finden. Dank meines Blogs war mir Endometriose ein Begriff und obwohl ich die Zusammenhänge nicht verstand, hatte ich genau diese Diagnose im Verdacht. Er hatte keine große Hoffnung, im Ultraschall etwas zu entdecken – machte ihn aber trotzdem. Erst fand er nichts, bis er stockte und sich ein 2cm großer echoarmer Bereich bei der drei Jahre alten Kaiserschnittnarbe auftat. Auch ohne Periode tat der Bereich bei Druck sehr weh, aber was das war, blieb unklar. Ein CT war der nächste Schritt, kurz vor der nächsten Periode lag mein Termin. Volles Programm: Kontrastmittel trinken und Kontrastmittel spritzen, dann schnell Bildmaterial erstellen. Danach arbeiten gehen und hoffen, in ein paar Tagen schlauer zu sein. Drei Tage später leider die Enttäuschung, dass man nicht sagen konnte, was es war. Keine Zyste, kein mit Flüssigkeit gefüllter Raum. Festes Material, was da irgendwie nicht hingehörte. Weiter ohne tatsächlichen Anhaltspunkt, machte ich einen Termin bei meinen Chirurgen in der Klinik. Wieder drei Wochen warten, hieß das. Eine weitere Periode aus der Hölle, hieß das. Direkt vor unserem Urlaub kam sie dann, das Meiste Gott sei Dank davor. Aber auch im Urlaub hatte ich teils mit Schmerzen zu kämpfen, besonders wenn wir laufen waren oder Abends dann, wenn der Körper zur Ruhe kam. Groß was dagegen tun, konnte ich nicht. Bisher hatte ich leider auch kein Erfolg mit Wärme. Wenn die tatsächliche Blutung ein paar Tage zurückliegt, klingen die meisten Schmerzen nach und nach langsam ab.

„Suche Parkplatz“ – Ravensburger Art
CT: der Pfeil zeigt grob oberhalb auf den schmerzhaften Bereich (Problemzentrum)

Ohne aktive Periode aber mit Termin fuhr ich mal wieder nach Ravensburg in die Klinik. Wenigstens nicht die Notaufnahme. Nach der normalen Parkplatzsuche des Wahnsinns – wenn die Menschen doch nur besser parken würden – wartete ich auf meinen Termin beim Oberarzt. Aber dem saß ich nicht gegenüber, sondern einem jungen Chirurg, der mir weder sympathisch noch offen schien. Ich sah meine Chancen in dem Moment schon schwinden und Angst kam in mir auf. Trotzdem versuchte ich ihm offen zu schildern, warum ich mit meinem CT-Material gekommen war. Mit jedem Satz sah ich in seinem Augen den Zweifel an mir wachsen und ich fühlte mich mit jedem Satz hilfloser. Er fragte, ob ich das CT angesehen hätte, denn er würde darauf nichts entdecken, was so Schmerzen machen würde. Ich erwiderte ihm, dass ich Schmerzen hätte und ich so nicht wieder gehen würde ohne einen Lösungsansatz. Dann verschwand er und ich saß 15 Minuten alleine dort mit meinen Gedanken. Dass ich gleich in meiner alten Klinik einen Termin vereinbaren würde, noch auf der Rückfahrt. Alle möglichen unschönen Gefühle krochen hervor. Danach ging alles irgendwie schnell, denn da stand er, der gewünschte Oberarzt der Chirurgie und ich schöpfte Hoffnung. Ob er einen Ultraschall machen dürfte, meine Beschreibungen wären sehr präzise gewesen. Meine Hoffnung wuchs. Eh ich mich versah, stand auch der Oberarzt der Gynäkologie im Raum. Ja, das wäre sehr gut zu erkennen, sagte er. Da lag ich nun und war nicht sicher, was da passierte. Aber es passierte. Nur wenige Minuten später verließ ich den Raum in Begleitung des Oberarztes der Gynäkologie – denn anscheinend war es wie im Bilderbuch: eine gesprengte Endometriose, künstlich ins Leben gerufen nicht von mir, sondern durch den Kaiserschnitt. Nicht so selten, laut Klinik. Bei der Geburt wurden Zellen verteilt und nicht wieder eingesammelt, diese sind in drei Jahren nun langsam gewachsen. Das würde man immer häufiger sehen. Er nahm mich aus der Chirurgie mit, so einfach hatte ich noch nie den Fachbereich gewechselt. Obwohl ich mit etwas konfrontiert war, was ich nicht wollte, war ich erleichtert. Ich fühlte mich gehört, gesehen und irgendwie glücklich. Beim Oberarzt fühle ich mich abgeholt und verstanden. Ich war dankbar. Einfach dankbar. Ganz bizarr, diese Gefühle in diesem Moment.

Wenn ich Glück habe, ist es mit der Operation getan. Denn die steht nun nächstes Jahr auf dem Plan. „Es“ kommt raus. Und wird hoffentlich allen Zweiflern belegen, dass es Endometriose ist. Es ist nun wie am Bahngleis stehen. Ich weiß weder, wohin mein Zug geht noch ob ich tatsächlich ein Ticket dafür habe. Im März werde ich auf den Tisch kommen und kann nur hoffen, dass es danach schnell wieder bergauf geht. Dass ich keinen Rückfall erleide, weil die Art speziell ist und sich hoffentlich nicht mehr verteilt hat und mit einem Eingriff alles erledigt ist. Aber alles Zukunftsmusik. Nun stehe ich am Bahngleis und warte mit wiederkehrenden Schmerzen auf den Zug.

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3 Kommentare

  1. Ich weiß jetzt gar nicht, ob es richtig ist , deinen Beitrag zu liken, weil die Tatsache an sich einfach richtig Sch… ist. Ich hatte auch schon Grenzwertüberschreitung Begegnungen mit Ärzten, anderen deine schlagen die alle. Und manchmal frag ich mich, was man noch alles ertragen muss. Aber du hast eine „Diagnose“ und ich hoffe so sehr, dass es dir nach der OP wieder viel besser geht. Du bist ein „Stehaufmännchen – das generell ich jetzt mal nicht – und ich drücke die Daumen, dass dann zumindest diese Schmerzen Vergangenheit sind

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