Endometriose 3

„C’est la fucking vie“

oder auch

„So ist es halt nun“

Mein Besprechungstermin in der Klinik post OP am 30.01. musste ich meinerseits wegen Krankheit verschieben auf diese Woche. Gott sei Dank bekam ich so rasch einen Ersatz. Ein weiterer Termin zur Frauengesundheit gab es dann am 03.02. noch für mich, der erste Termin bei einer neuen Frauenärztin. Generell ist das Kennenlernen eines neuen Arztes aufreibend, wenn man dies Jahrelang wegen chronischer Krankheit auch mit schlechten Erfahrungen assoziiert. Bei Endometriose braucht man Feingefühl und aktuelle Erkenntnisse von Forschung und Medizin. Als zweithäufigste Frauenkrankheit erhält man bei Erzählungen leider eher den Eindruck, dass Betroffene nicht ernstgenommen werden. Nach 40 Minuten im Wartezimmer überlege ich ernsthaft, wie ich kommunizieren soll, was mein Körper anstellt und was ich brauche. Und dann sprudelt alles aus mir raus und das war okay. Nach einem langen Gespräch laufe ich aus der Praxis und bin schlichtweg glücklich und erleichtert. Das Gemüt, die Zwischenmenschlichkeit und das Wissen um Endometriose geben mir Halt. Ich suche eine niedergelassene Verbündete, die Endometriose als Krankheit versteht und mich mit Tübingen unterstützt. Ich glaube, ich könnte hier Glück haben.


Hier ein bisschen Theorie zur Endometriose, folgende Erklärungen haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sollen euch einen Eindruck vermitteln. Diese Krankheit ist das Chamäleon der Gynäkologie und inzwischen als Systemerkrankung beschrieben. Die Symptome werden von gutartiger Schleimhaut außerhalb der Gebärmutter herbeigeführt. Zumeist findet sich diese an den Geschlechtsorganen oder in deren Nähe. Aber auch an und in anderen Organen des Körpers kommt Endometriose vor. Mit dem Zyklus baut sich das Gewebe auf und wird zum Ende wieder angestoßen. Entweder blutet es über natürliche Wege ab oder in den Körper hinein, entzündliche Prozesse sind hier involviert. Ob die Zellen dorthin verschleppt werden oder an Ort und Stelle entstehen, ist nicht eindeutig geklärt. Mit den Wechseljahren erledigen sich die Symptome zumeist, da sich der Prozess und der Hormonhaushalt des Körpers verändern. Manche Betroffene haben ab der ersten Periode starke Schmerzen, manche fangen nach einer Schwangerschaft in ihren Dreißigern an. Die Diagnose kommt vermehrt infrage bei starken Regelschmerzen und unerfülltem Kinderwunsch. Endometriose kommt selten allein. Bis man drauf kommt, eine Verdachtsdiagnose zu stellen oder sogar belegbare Befunde vorweisen kann, vergehen im Durchschnitt viele Jahre. Befunde, Symptome und Einschränkungen variieren stark. Ein kleiner Endometriose-Herd kann schon zu stärksten Schmerzen führen. Zu den häufigsten Symptomen gehören diese: unverhältnismäßige Regelschmerzen, Rückenschmerzen im unteren Rücken und im Schulterbereich oder gar in die Beine strahlend, Erschöpfung, Stimmungsschwankungen, Schwindel, starke Blutungen, Schmerzen beim Urinieren und Stuhlgang und beim Sex, Verwachsungen, Organschäden und dadurch zum Beispiel Unfruchtbarkeit. Bewegung verschlimmert die Schmerzen oft. Von der seelischen Belastung brauchen wir gar nicht anfangen. Die Behandlung ist schwierig, weil so viele Faktoren Einfluss finden. Die Therapie ist dementsprechend sehr individuell anzupassen – Eingriffe mit der Entfernung von Gewebe, Medikamente wie Gelbkörper (=Pille), Schmerztherapie und alternative Methoden wie Entspannung, Wärmetherapie, Massagen, Ernährungsumstellung und Vieles mehr. Im Prinzip gilt: Das was hilft, zählt. Nicht jeder Betroffene braucht Behandlung, ich las etwas von etwa der Hälfte, die sich dauerhaft in Behandlung finden. Gar nicht so einfach mit dem Chamäleon, dass sich so vielfältig und schwierig präsentiert.

Vor meinem Termin am 06.02. in der Frauenklinik war ich nervös, weil ich nicht sicher war, was mich erwartet und wo ich mit den neuesten Informationen überhaupt stehe. Mit diesem Termin entscheidet sich die Richtung der weiteren Reise mit meiner Frauenärztin an der Seite. Ich hätte gerne etwas anderes gehört. Leider kann man sich das nie aussuchen. Fakt ist, dass das entnommene Gewebe kein aktiver Herd war, höchstens ausgebrannt. Das war für mich total schwer zu hören, denn eine bestätigte Diagnose lieber gehabt. Diese Erkenntnis verunsicherte mich und ließ mich irgendwie im Nichts sitzen. Denn meine Beschwerden waren fortwährend da, es hatte sich nichts geändert für mich. So konnte es nicht bleiben mit den Schmerzen, die mich die Hälfte vom Monat so einschränkten und mich quälten. Mit dem Arzt folgte ein Gespräch über die nächsten Schritte und mein aktuelles Empfinden. Ich verbleibe hiermit eine Verdachtsdiagnose, denn meine Beschwerden sind spezifisch genug. Der nächste Schritt ist die medikamentöse Therapie mit Hormonen, also der Pille. Ein Schritt, den ich nicht gerne gehe, da ich nicht ohne Grund sterilisiert bin. Nun werd ich sehen, wohin es führt. Wenn die Beschwerden sich verbessern, sei das die indirekte Bestätigung der Diagnose. D.h. es steht nicht auf der gleichen Ebene wie eine Bauchspiegelung mit einer genauen Gradbezeichnung. Ohne Gewebe gibt es keine richtige Diagnose. Falls es keine Änderung bringt, ist die Diagnose weiter möglich. Das Gespräch mit dem Arzt war absichtlich sehr realistisch und das weiß ich sehr zu schätzen, ich brauch keine rosarote Brille, wenn es um Gesundheit geht. Ich darf nicht den Fehler machen, jedes Problem auf der Endometriose abzuladen. Und damit hat er recht, es ist zu einfach und führt zu falscher Realität. Der fast schon erlernte und erwartete Schmerz darf mich nicht bestimmen – das klingt selbstverständlich, als Betroffene ist das sehr schwierig. So direkt darauf angesprochen zu werden, tut weh, weil ich so viel versuche, um weiter zu funktionieren und ist trotzdem so wichtig zu hören: Ich sollte jeden Tag aufstehen und offen bleiben, offen für gute Tage und Verbesserungen.

Am Donnerstag 09.02. dann startete meine Periode, einem Tag später begann ich die Einnahme der Pille. Diese soll ich nun ohne Pause durchnehmen, um den Aufbau der Schleimhaut und damit die Beschwerden zu verhindern. Beipackzettel waren nie meine Freunde und ich mag es überhaupt nicht, wenn ich Morbus Crohn lese. Das ist schon schief gelaufen, muss es aber nicht wieder. Ich versuche offen und aufmerksam zu bleiben. Mitunter deswegen habe ich zum ersten Mal in meinem Leben angefangen, ein detailliertes Schmerztagebuch zu führen. Veränderungen werden hier für mich sichtbar werden und diese brauche ich jetzt. Drückt die Daumen für die richtigen Veränderungen, die mir helfen.

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