Erster sieben Vorurteile noch nicht gesehen? Hier klicken!



VORURTEIL 8
LEIDER GENANNT
… mit Stoma hat man ehrlich gesagt niemals Sex, weil der Partner “keinen hoch bekommt”
ELISA Da ist nicht das Stoma das Problem, sondern der Partner… ganz einfach!
NICOLE Wenn der Partner sich durch ein bisschen Stoff auf dem Bauch abschrecken lässt, war es wohl nicht der richtige!



VORURTEIL 9
OFT GENANNT
… mit Stoma pupst man unentwegt, der Beutel knistert und sehen tut es sowieso jeder
ELISA Die Kontrolle eines Pupses oder Furzes ist nun anatomisch nicht mehr möglich. Aber man tut’s nicht die ganze Zeit. Daheim wird’s ausgiebig kommentiert, im Geschäft bin ich doch froh, wenn dabei grad der Drucker tut. Und wenn’s doch einer hört, heißt es von mir: “Ru wollte auch mal was sagen!” Das Knistern des Beutels lässt sich beim An-und Ausziehen nicht vermeiden, egal. Tagsüber knistert nichts, da ich den Beutel unter high waist Unterwäsche verstaue. Warum gibt es heute dieses Bild? Das ist in Porto beim Erklimmen einer Brücke von unten, dicht and dicht in einer Gruppe. Niemand bemerkt Ru. Ich entscheide, ob man von meinem Stoma erfährt.
NICOLE Wie sag ich immer so schön: Man kann mit einem Stoma alles machen, außer kontrolliert furzen! ABER unsere stinken wenigstens nicht! Mein “Charly” macht auch eher Geräusche wie eine kaputte Tür, er quietscht witzig, weil er im Sitzen vom Bauch gedrückt wird (wie bei einem Luftballon) Beherrschen kann man den Furz nicht, aber man kann dazu stehen oder ablenken. In der Öffentlichkeit einfach den Hintermann ganz entsetzt angucken, im Kino mit dem Popcorn rascheln, an der Kasse das Telefon aus der Tasche und den Fake-Anruf annehmen oder einfach Magengrummeln vortäuschen …. da gibt es eine Menge Möglichkeiten. Denn niemand (außer man selbst) weiß, woher das Geräusch kam! Man sieht einem das Stoma ja nicht an. Außerdem gibt es diverse Hilfsmittel, die man nutzen kann. Lebensmittel, die blähend wirken, einfach meiden und dafür die essen, die gegensteuern. Es gibt sogar “Silencer” eine Art Schalldämpfer, sehr teuer und eine Hand am Bauch tut`s auch.




VORURTEIL 10
AUCH GENANNT
… mit Stoma wird man erst mit über 70 konfrontiert, kein junger Mensch braucht sowas
ELISA ÜBERRASCHUNG … junge Menschen haben Stomata! Und ja, viele Stomata ist die Mehrzahl von einem Stoma. In der Tat sind einige junge Frauen und Männer gebeutelt. Leider verstecken sich viele. Es gibt kein zu jung für sowas – denn sogar Babys und Kinder haben Stomata. Wenn es deine Gesundheit fordert, ist es scheiß egal, wie alt du bist. Ich bekam Ru, den Ersten seines Namens, mit 27 Jahren. Das klingt jung, aber ich kenne Jüngere. Hier möchte ich euch noch mal Instagram empfehlen, da sich dort einige junge Menschen mit Beutel austauschen und mit aller Kraft versuchen, ehrliche Aufklärung zu betreiben. Ein Stoma kann jeden treffen, egal wie alt!
NICOLE Ich habe mich wahnsinnig erschrocken, als ich das erste Mal einen Baby-Stoma-Beutel in der Hand hatte und dachte: So ein kleiner Mensch muss schon so leiden! Aber jetzt kenne ich bereits einige dieser kleinen Beuteltiere und muss sagen, sie nehmen das Ganze sehr viel gelassener als einige Erwachsene. Kinder machen einfach und stellen sich im Vorfeld nicht so viele Fragen. Meistens und glücklicherweise werden diese, im sehr frühen Kindesalter gelegten Stomata, in den ersten Lebensmonaten wieder zurückverlegt. Aber es gibt Beuteltiere in allen Altersklassen und Lebensphasen. Auffallend hierbei ist, das die Jugend viel offensiver mit der Situation umgeht. Sie schreiben Blogs, zeigen Bilder oder Videos. Mir gefällt diese Art der Öffentlichkeitsarbeit, weil sie eben diese Vorurteile, die wir hier behandeln, helfen abzubauen.

VORURTEIL 11
LEIDER GENANNT
… mit Stoma findet man auch keinen Partner, der diese Scheiße mitmachen will
ELISA Nach meiner Crohn-Diagnose 2008 war ich zuerst überfordert mit dem Leben und Lieben als chronische Kranke. Nach ein paar harten Fehlschlägen in Sachen Liebe und Männern dachte ich in meinen Mittzwanzigern genau so. Wie dumm von mir, denn es waren nur einfach immer die Falschen. Es war etwas, was ich lernen musste. Wenn man eine Krankheit in die Beziehung mitbringt, sortiert man sehr rasch die falschen Menschen heraus und bleibt bei denen hängen, die einen wirklich sehen. Bei einem Menschen, der hinter dir steht und dir Rückendeckung gibt, wenn dir die Kraft ausgeht. Einen, der deinen wahren Wert erkennt und schätzt, wie du dein Leben trotz Hindernissen immer wieder meisterst. Ich war dreieinhalb Jahre mit meinem Partner zusammen, als Ru Teil von mir wurde. Das Einzige, was meinem inzwischen-Ehemann wichtig war, war, ob ein Stoma mein Leid verringern würde. Das ist Liebe …
NICOLE Wenn man sich selbst nicht mag, findet man auch niemanden, dem man glaubt, dass er es tut. Wer sich nur leidend in eine Ecke setzt, kann und darf nicht erwarten, dass sich jemand dazu setzt und sitzen bleibt! Mein Mann kennt mich schon sein Leben lang (wir sind im selben KH innerhalb von 4 Tagen geboren) und das mit allen Facetten. Er ist gegangen als wir Teenager waren, aber wir haben uns wiedergefunden und haben die schlimmsten Zeiten gemeinsam gemeistert. Es war definitiv nicht leicht, wir haben oft gestritten, niemand kam mit der Situation klar. Aber wir haben nach Lösungen gesucht und jetzt sind wir ein unglaubliches Team. Er hat mir erst einen Heiratsantrag gemacht, nachdem ich den Beutel am Bauch hatte! Ich liebe diesen Mann! Ich wünsche jedem Menschen, das er seine Liebe findet, egal wie sein Körper aussieht!



VORURTEIL 12
AUCH GENANNT
… mit Stoma ist der Gang zur Toilette und jeder Wechsel immer eine völlige Sauerei
ELISA Ein Poonamie (Poo=Kacke + Tsunamie) trifft jeden mit Stoma irgendwann, meist wenn die Versorgung mal aufgibt. Und ja, es wird eine schreckliche Sauerei und es wird nicht unbedingt eine tolle Erinnerung werden. In fünf Jahren zähle ich weniger als fünf solcher Katastrophen und ich sage euch, man überlebt es und lebt weiter. Auf’s Klo gehen und die Versorgung zu wechseln ist zu Beginn ungewohnt und läuft nicht immer glatt, aber mit ein bisschen Übung ist das eine ordentliche Prozedur ohne Sauerei. Wenn man wie ich z.B. wegen Inkontinenz ein Stoma hat, ist dieses eher eine saubere Sache als der Zustand zuvor. Es gibt von erfahreneren Leuten mit Stoma immer Tips und Tricks, wenn man fragt. Man muss mutig sein, gerade zu Beginn, um Routinen zu entwickeln. Dann hat das mit Sauerei nichts zu tun.
NICOLE Ich verbringe definitiv weniger Zeit auf der Toilette als früher. Mit meiner CED im akuten Schub bin ich bis zu 40x am Tag (und in der Nacht) auf’s Klo gerannt und dort dann auch ne Weile mit Krämpfen und Kotzen gesessen. Das Klo war besetzt oder beschissen und ich habe das Badezimmer gehasst! Heute brauche ich tatsächlich nur noch 3-5x zum Beutel-Leeren und kann nachts durchschlafen. Die Toilette bleibt sauber, weil es keinen Sprühschiss gibt. Die Versorgung wechsle ich meist abends, denn da fördert das Stoma nicht so sehr. Bei einem Dünndarmstoma läuft es nämlich fast ständig. Beutel runter vom Bauch und in seinen Extra-Müllbeutel. Dann ab unter die Dusche. Meine Haut liebt es und wenn “Charly” mal spuckt, wird es einfach weggespült. Dann trocknen und neue Versorgung drauf – fertig!

VORURTEIL 13
OFT GENANNT
… mit Stoma ist man undicht: die Platte geht immer ab, der Beutel platzt, Versorgung Mist.
ELISA Poonamies passieren, auch kleinere Unfälle – wenn die Platte mal unterläuft. Das passiert, wenn direkt unter der Platte Narben liegen und die Versorgung nicht plan aufliegen kann. Diese Erfahrung habe ich bereits hinter mir, da benötigt man etwas Geduld und die richtige Versorgung. Unfälle können auch passieren, wenn die Platte zu lang am Bauch klebt, man auf den Kleber reagiert oder der Beutel unter Druck steht (der platzt nämlich nicht, eher löst sich die Platte). Es muss nicht zum Unfall kommen, mit der Zeit merkt man bereits durch ein Jucken oder Ziehen, dass die Platte unterläuft. Weil das immer passieren kann, trägt man unterwegs stets eine Ersatzversorgung mit sich. Unfälle sollten Ausnahmen sein, wenn sie die Regel sind, muss die Versorgung geändert werden. Es gibt genug Hersteller und Möglichkeiten.
NICOLE >Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein< So ein Beutel kann unter normalen Bedingungen nicht platzen. So viel Druck kann man gar nicht aufbauen! Vorher löst sich der Verschluß oder die Klammer am Rand. Was natürlich auch keinen Spaß macht. Passiert ist das jedem Beuteltier schon und JA, es ist eklig. Ich hatte Anfangs auch Probleme, weil ich Narben unter der Platte habe, die sich bei Bewegung anders verhalten, wie der Rest der Haut. Aber auch ich habe nach ein bisschen probieren meine perfekte Versorgung gefunden. Das erfordert ein bisschen Geduld, weil es eine Menge Varianten gibt. Und dann sind da noch die Hilfsmittel, wie Bauchgurte, die zusätzlich Sicherheit geben. Wer also ständig undicht wird, macht was falsch!




VORURTEIL 14
LEIDER GENANNT
… mit Stoma ist fast sicher, dass weder Partner noch Familie damit umgehen können
ELISA Ein Stoma verändert das Leben, das steht fest. Auf diese Veränderung muss sich ein jeder einlassen, sonst ist das Weiterleben eine Qual. Das ist nicht leicht, ich habe selbst Startschwierigkeiten gehabt. Ich habe die OP bereut bis ich mit Geduld und Mut Frieden mit der Veränderung und seinen Herausforderungen schloss. Der Partner ist bei einem Daheim ziemlich nah dran und ist Teil des Lebens, wie es das Stoma ist. Aber er/sie trägt es nicht. Man muss offen kommunizieren, nach Hilfe fragen oder sie annehmen, Aufklärung betreiben. Vor Allem muss man ihn/ihr Zeit geben, die Veränderung auch anzunehmen. Die meisten machen das, Idioten gibt es leider überall. Familie, auch die eigenen Eltern, sind oft weiter weg wie der Partner. Das erschwert das Verständnis für das neue veränderte Leben. Ich kenne das selbst, die Familie hat große Schwierigkeiten das Stoma auf Lebenszeit zu akzeptieren oder sich mit diesem Leben auseinanderzusetzen. Und trotzdem versuchen sie, für mich da zusein. Schokolade wird in meiner Tasche versteckt und im Krankenhaus werde ich mit Blumen versorgt, als gäbe es kein Morgen. Natürlich gibt es ein Morgen und auch wenn das Verständnis schwerer fällt, man sollte seine Familie an der Veränderung teilhaben lassen.
NICOLE Es gibt wohl wirklich diese ganz seltenen Fälle, wo der Partner nicht mit der neuen Situation klar kommt. Aber oft ist es die eigene Einstellung zur Situation, die auch das Umfeld wahrnimmt. Wenn ich mich selbst nicht mag und verstecke, keine Intimität zulasse, muss ich mich nicht wundern, wenn ich irgendwann alleine dastehe! Bei uns gehört “Charly” einfach dazu. Darum hat er auch einen Namen. “Ich gehe mich um Charly kümmern”, klingt einfach besser, wie: “ich geh das Stoma versorgen”. Je offener man mit allem umgeht, desto einfacher ist es auch für das Umfeld. Akzeptanz fängt bei mir selbst an!
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Fortsetzung folgt hier!
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