Meine Stoma-Schwester und ich

Die ersten Stoma-Therapeuten, mit denen es jeder Träger zu tun bekommt, arbeiten im Krankenhaus. Entweder wird man präventiv beraten oder aber postoperativ versorgt. Ich persönlich habe zwei Damen kennengelernt, die so ihre Zeit mit den Patienten verbringen. Sie gehen unterschiedlich vor, die eine begegnet dem Thema von Grund auf trocken und ruhig, die andere besonders überschwänglich mit Humor. Im Krankenhaus sind sie die Ersten, die den Patienten an der Hand nehmen, um das Thema Stoma samt Material und Versorgungswechsel anzugehen. Der Versuch besteht darin, den Patienten mit der neuen Begebenheit vertraut zu machen und erste Probleme zu umschiffen. Auch bei Untersuchungen können Sie Hilfestellungen geben, z.B. bei Spiegelungen, da man mit Ileostoma den Dickdarm, falls noch vorhanden, nicht so leicht selbst reinigen kann. Wohlgemerkt irgendwie einer meiner entwürdigensten Momente – ich saß, unten ohne aber etwas abgedeckt, auf einem Klo während die Therapeutin über das Stoma Abführmittel in meinen Dickdarm spülte und wir gemeinsam auf ein Ergebnis warteten. Beim zweiten Mal tat ich mir das nicht mehr an und machte es allein, etwas umständlicher und laienhaft, aber wenigstens privat. Sollte man nach 10-12 Tagen noch im Krankenhaus sein, ziehen Sie dem Patienten auch die Klammern und Fäden. Stoma-Therapeuten vom Krankenhaus und von außerhalb kennen sich oftmals untereinander – sie tauschen sich aus, bilden sich zusammen fort und übergeben sich die unterschiedlichsten Patienten. Natürlich will man den Patienten schnellstmöglich aus dem Krankenhaus entlassen. Patienten können sich die Therapeuten hier auch nicht aussuchen, sondern lernen von denen, die gegeben sind. Für ein paar Tage sind die Therapeuten für den Patienten verantwortlich, der sich in der neuen Situation erst mal zurechtfinden muss. Das fällt dem einen leichter als dem anderen. Der Alltag und seine Herausforderungen, die den Patienten danach erwarten, entziehen sich größtenteils ihrem Einfluss. Ich denke, dass Stoma-Therapeuten im Krankenhaus einem strengeren Protokoll folgen, vielleicht etwas betriebsblind sind und es noch Raum für mehr Erklärungen und mehr Informationen gäbe. Sollte man auf ein Stoma vorbereitet sein, lohnt es sich auf jeden Fall, sich selbst vorab mit der Thematik zu beschäftigen und wenn es nicht geplant war, schnellstmöglich zu handeln. Selbst nach der Entlassung kann ich persönlich sagen, dass ich bei Unklarheiten auch noch die Stoma-Schwester im Krankenhaus per Mail oder Telefon behelligen darf. Es gilt: Fragen, hinschauen und selbst machen! Der Grund dafür ist simpel: zwischen Stoma und Träger soll keine Distanz entstehen, die einem später das Leben erschwert. Je schneller man selbst wechselt und weiß, was zu tun ist, desto eher ist man unabhängig und frei. Ich selbst habe ab dem zweiten Wechsel alles selbst gemacht – erstens war es mir nachts unterlaufen, ich wollte niemanden rufen und zweitens musste ich ja irgendwann damit anfangen. Danach blieb ich einfach dran und das war gut so.

Meiner Meinung nach sind die Stoma-Schwestern außerhalb des Krankenhauses jedoch wichtiger, denn sie sind Teil des Alltags und auch des Vorankommens. Eine Stoma-Schwester im Alltag verarbeitet nicht nur ein Rezept und bestellt das Versorgungsmaterial… sie ist so viel mehr! „Wie – das ist ihr erster Tag?!“ war einer der ersten Sätze meiner Stoma-Schwester S., als sie mich zum ersten Mal sah. Ich war aus dem Krankenhaus entlassen worden und seither unterliefen mir andauernd die Platten. Material hatte ich am Sonntag mitbekommen, aber am Montagmorgen hatte ich keine frische Platte mehr. Ich war fertig mit den Nerven, völlig hilflos und schier panisch. Noch ein Unfall und ich hatte ein echtes Problem. Natürlich hatte ich komplett vergessen, zu fragen, wer genau für mich zuständig sein würde und gesagt hatte man es mir auch nicht genau. Ich recherchierte im Internet, wo Leute wie ich nun hingehen müssten und macht mich auf zum Sanitätshaus. Dort war meine S. vom Stoma-Care-Team, die nun ohne Übergabe mit mir konfrontiert war. Ohne zu zögern erkannte Sie meine Verzweiflung und wurde zur Retterin in der Not. Aus dem, was das Lager hergab, stellte Sie mir Material zusammen, bis mein eigenes geliefert wurde. Der Bürokram stand hinten an, ich als Mensch war in diesem Moment das Wichtigste, ein Gefühl, dass mir Sicherheit gab. In Sekunden hatte Sie mein Vertrauen gewonnen und ich war überzeugt, dass Sie mir immer helfen würde. Dieses Gefühl ist bis heute geblieben. Die ersten Tage nach der Entlassung war ich so verunsichert und überfordert, dass ich Ihre Hilfe und Unterstützung oft in Anspruch nahm. Sie versorgte mich mit Material, schaute sich Ru samt umgebenden Graben an und gab mir stets Rückendeckung. Über Geld, Rezepte und Versicherungspauschalen sollte ich mir keine Gedanken machen, meine Konzentration sollte auf mir und den neuen Umständen liegen. Ich hoffte nur ganz doll, dass alles gut verheilen würde. Furchtlos kniete S. vor mir und betrachtete jedes Detail, nur um mir zu versichern, dass alles okay oder in den Griff zu bekommen sei. Fast sofort hatten wir Nummern ausgetauscht. Aus rein geschäftlichem Kontakt wurde bald eine freundschaftliche Beziehung. Ja, meine Stoma-Schwester und ich sind durch das Schicksal zusammen gekommen und wurden Freunde. Wir reden nicht nur über die neueste Platte, wie das Stoma fördert, ob man mal wieder einen Blick auf Ru werfen sollte und ob andere Patienten ähnliche Probleme haben. Wir reden über unsere Männer, die Arbeit, das Reisen… über den Drink, den wir grad trinken, die Hochzeitsplanung und aktuelle Geschehnisse. Wir gehen aus, sehen uns im Sanitätshaus und schicken uns ständig Nachrichten und Bilder vom Wochenende. Inzwischen haben wir uns so oft gesehen, dass ich mich gar nicht mehr an jedes einzelne Mal erinnere. Regelmäßig bin ich aus den unterschiedlichsten Gründen bei ihr im Laden. Entweder soll sie sich Ru ansehen, weil etwas anders oder entzündet ist. Mit ihr spreche ich auch meine Bandagen ab, damit sie diese bestellen kann. Manchmal schaue ich nur auf ein Gespräch vorbei, denn wie es mir mit dem Stoma geht, hat Einfluss auf den Rest meines Lebens und auch andersrum. Bei Materialfehlern, die mal vorkommen können, ist sie meine erste Ansprechpartnerin. Wir optimieren die Versorgung, jonglieren mit Platten und Hilfsmaterial oder schauen uns die unterschiedlichen Hersteller an – gerade erst jetzt, als ich mich für ein Colostoma entschieden habe. Ich wollte wissen, was momentan auf dem Markt ist und was mich die nächsten Jahrzehnte begleiten würde. Meine S. kann zwar nicht in die Zukunft blicken oder mir jede Frage beantworten, aber sie hat Erfahrung und Zuversicht, sodass ich mir vorstellen kann, bis zu meinem Ende Stoma-Träger zu sein. Zum selben Stoma-Care-Team gehört auch Frau O. und auch sie hat mir schon super geholfen. Wir haben nur nicht so viel miteinander zu tun, da ich ja schon meine S. habe. Wir standen aber auch schon zu dritt da und haben an Lösungen getüftelt. Ohne diese Unterstützung und Kommunikation hätte ich heute nicht so ein gutes Leben, käme nicht so gut mit Ru klar und würde gewiss keinen Blog anfangen. Deswegen hier nun ein paar wenige, aber bedeutende Tipps, die jeder Stoma-Träger für sich nutzen kann, wenn er will. Schaden tut’s nicht.

Redet mit einander! Nicht jede Stoma-Schwester hat What’s App, auch hat jede Stoma-Schwester ihren eigenen Stil und unterscheidet sich von anderen. Lass es ein Gespräch am Telefon sein, persönlich vor Ort oder auch mal per Nachricht. Egal wie: tauscht euch aus. Nicht nur, wenn es dir schlecht geht, sondern auch wenn es dir gut geht. Kommuniziere offen und ehrlich, auch wenn dir das am Anfang komisch vorkommt, denn nur so lassen sich die besten Lösungen finden. Du musst eh einmal im Monat dein Material bestellen/holen, dann häng ein Gespräch daran oder mach einen Wechsel vor Ort. Somit hat sie immer ein Auge auf dich und weiß um dich Bescheid. Solltet Ihr What’s App nutzen können, sendet Bilder. So einfach wie praktisch. Wenn dir was komisch vorkommt, frag nach. So kannst du Probleme entschärfen, eh es zu schlimm oder zu einem richtig ernsten Problem wird. Lieber einmal zu viel gefragt, als einmal zu wenig. Für Fragen und Hilfestellungen sind sie da, nutze das Angebot! Sie verfügen über Erfahrung und haben viele Tipps – davon kannst du nur profitieren. Anhören und Ausprobieren schadet nie, ob du es dann beibehältst, ist deine Entscheidung. Aber nicht nur Sie können dir Tipps geben, auch du kannst Ihnen Tipps geben – denn vielleicht hast du etwas Neues ausprobiert, etwas Interessantes gelesen oder erlebt, das sie noch nicht kannten. Ihr lernt voneinander! Auch bei deiner tatsächlichen Versorgung kannst du rumprobieren – mit Hilfe deiner Stoma-Schwester findest du das richtige Material. Eine Sache, die mich z.B. ständig begleitet, ist die Sorge um eine Hernie der Bauchdecke. Mit meinem Ileostoma hatte ich auch bald eine, die aber keine akuten Probleme machte. S. sagte immer, dass es okay ist, solange Ru förderte und ich keine Schmerzen hatte. Ich dachte nur daran, dass ich ständig irgendwie und irgendwo Schmerzen hatte – bis ich eines Nachts sicher war, was für Schmerzen Sie gemeint hatte. Ich ging nachts sofort in die Notaufnahme und wurde am selben Tag noch operiert. Hör auf das, was dir dein Körper sagt. Du allein kannst wirklich einschätzen, wie es dir geht. Wenn der Schuh drückt, sag es. Gute Leute machen fast alles möglich und werden dich immer unterstützen. Wenn du dich mit deiner Stoma-Schwester nicht wohlfühlst, wenn sie es nicht schafft, dass du dich sicherer, besser und stärker fühlst, dann schau dich nach jemand anderem um. Wenn du gerade denkst: „so ist das mit meiner aber nicht“ – such dir ne andere. Ich hatte Glück, auf geradem Wege die Richtige zu treffen! Ihr arbeitet zusammen, seid ein Team, steht auf derselben Seite, zieht am selben Strang und arbeitet auf das gleiche Ziel hin: Stoma-Träger brauchen eine optimale Versorgung und Unterstützung, um zu wachsen.

Die Unterstützung von meinem Team ließ mich seit jeher wachsen und gab mir Sicherheit, in guten Zeiten und bei Problemen. Auch in schlechten Dingen steckt Gutes – das Stoma brachte mir S. und ich realisiere, welches Glück ich habe. Liebe S., ich weiß, dass du das hier lesen wirst: Danke für deine Unterstützung, dein offenes Ohr und deine ehrliche Art sowie Freundschaft.

Zusatz: Meine Krankenkasse ließ die Betreuung durch meine Stoma-Schwester zwischen drin nicht mehr zu, ich wechselte dann (LESEN)

Erste Ergänzung 08.10.2020:

Zur Stoma-Therapeutin in der Klinik habe ich bei jedem Besuch dieser auch Kontakt. Wir tauschen uns gern darüber aus, wie es mir ergeht, denn es ist auch für sie interessant. Beim letzten Besuch saßen wir vor meinem Termin mit dem Chirurgen noch zusammen – sie ließ ihn sogar wissen, dass ich bei ihr war. Mit den Worten: „wenn du sie siehst, weißt du ja wer“ … und er kam und lächelte breit 😉

Seit ich durch den beschriebenen Krankenkassenwechsel wieder vom Sanitätshaus und meiner Stoma-Schwester betreut werde, sind fast zwei Jahre vergangen. Inzwischen sind wir nicht mehr so extrem eng miteinander, das tut aber der guten Betreuung keinen Abbruch. Auf sie ist immer Verlass und das weiß ich sehr zu schätzen. Besonders in meiner Schwangerschaft letztes Jahr. Die AOK und meine Bedürfnisse haben bisher gut harmoniert. In der Regel bestelle ich mein Material Ende des Monats und sehe sie bei der Abholung. Auch nicht immer. Meine Wechsel stellen gerade keine Herausforderungen dar und ich habe keine Probleme. Sollte sich das ändern, weiß ich, wer für mich da ist. Erst diesen Montag war ich mit der Kleinen dort, Material abholen. Dabei habe ich meinen Bauch mal gezeigt und sie konnte ein bisschen den Bereich der Hernie abtasten. Alles mit meiner Kleinen auf dem Arm. Durch meine Gewichtsreduktion macht die Hernie einen stabilen Eindruck. Meine Versorgung ist aktuell immer noch gut, wie sie ist. Ich kann mich also glücklich schätzen. Das weiß ich. Hinter den Ratschlägen, die ich oben im ursprünglichen Beitrag gemacht habe, stehe ich weiterhin!

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